Deutsche Wissenschafter entwickeln Gen- und Zelltherapie gegen Aids
In Hamburg könnte kommendes Jahr eine Studie mit einer potenziell heilenden HIV/Aids-Therapie starten. Die Wissenschafter wählen dafür einen völlig neuen Ansatz.
Hamburg/Wien – In Hamburg könnte kommendes Jahr die weltweit erste klinische Studie mit einer potenziell heilenden HIV/Aids-Therapie mit acht Patienten starten. Genetisch veränderte Stammzellen mit einem speziell entwickelten Enzym sind die hauptsächlichen Bestandteile, teilte die deutsche Max-Planck-Gesellschaft mit.
"Es handelt sich um eine klinische akademische Studie. Zum ersten Mal soll durch Gen-Editierung mit einem rekombinanten Enzym im Rahmen einer Stammzelltherapie HIV aus dem Erbgut infizierter Zellen herausgeschnitten und das Virus eliminiert werden", sagte Joachim Hauber vom Heinrich-Pette-Institut (HPI/Experimentelle Virologie) gegenüber der APA.
Verwendung von "Genschere" als Ansatz
Alle bisher vorhandenen HIV/Aids-Therapien zielen – mittlerweile erfolgreich – auf die Unterdrückung der Vermehrung der Retroviren ab. Dadurch gelingt es, die Viruslast im Blut der Behandelten unter die Nachweisschwelle zu drücken und damit den Zusammenbruch des Immunsystems langfristig zu verhindern. Das Problem aber bleibt, dass das Erbgut der HI-Viren in den Immunzellen etabliert ist und die Virusmehrung jederzeit wieder aufflammen kann.
Eine im Rahmen der Max-Planck-Geselllschaft entwickelte Technologie unter Verwendung einer "Genschere" über das künstlich entwickelte Rekombinase-Enzym Brec1 (Heinrich-Pette-Institut und Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik und an der Technischen Universität Dresden) soll hier einen völlig neuen Weg erschließen. "Das Prinzip soll kommendes Jahr zum ersten Mal an acht Patienten an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf evaluiert werden", erklärte Hauber. Dies wird an der Klinik für Stammzelltherapie des Krankenhauses erfolgen.
"Den Patienten werden Blutstammzellen entnommen. Mit einem lentiviralen Vektor ("Genfähre" auf der Basis eines Lentivirus; Anm.) wird das Erbgut für Brec1 eingeschleust", sagte der Wissenschafter. Die Stammzellen werden von den Patienten durch Selektion der CD34-positiven Zellen aus dem Blut gefiltert. Das CD34-Oberflächenmolekül ist ein Charakteristikum für Blutstammzellen.
Hoffnung auf Immunzellen ohne HIV
Das Designer-Enzym Brec1 ist in der Lage, das Erbgut von HIV aus infizierten weißen Blutkörperchen bzw. den Stammzellen herauszuschneiden und damit das Virus zu eliminieren. Die Patienten erhalten dann ihre mit der Erbinformation für Brec1 versehenen Stammzellen zurück infundiert. Auch die aus ihnen entstehenden ausreifenden weißen Blutkörperchen sollen auf diese Weise vor HIV geschützt sein. Das Enzym wird nur aktiv, wenn eine Infektion der Zelle mit HIV vorliegt.
Die Entwicklung des Verfahrens erfolgte unter dem Dach des Hamburger Biotech-Start-Up-Unternehmens Provirex. Zunächst soll vor der Stammzelltherapie noch eine medikamentöse Behandlung zur Beseitigung noch vorhandener (auch) HIV-positiver Stammzellen im Knochenmark erfolgen. Doch in weiterer Zukunft möchte man darauf möglichst verzichten.
Die Hoffnung ist, dass die genetisch veränderten Stammzellen einen evolutionären Vorteil haben und sich durch natürliche Selektion besser vermehren bzw. zu mehr Immunzellen ohne HIV ausreifen. Damit könnte nach der Therapie ein HIV-loses Immunsystem bei den Behandelten entstehen. (APA)