Corona-Krise

EU-Gipfel einigte sich auf 1,8 Billionen Euro schweres Finanzpaket

Nach den Verhandlungen in Brüssel gehen für Bundeskanzler Sebastian Kurz die Entscheidungen weiter: Er wird heute mit der Regierung über die Wiedereinführung der Maskenpflicht beratschlagen.
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Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich auf das 1,8 Billionen Euro schwere Finanzpaket aus dem Aufbaufonds "Next Generation EU" und Budget von 2021 bis 2027 geeinigt. Das geschnürte Finanzpaket ist das größte in der Geschichte der Europäischen Union.

Brüssel – Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich auf das 1,8 Billionen Euro schwere Finanzpaket aus dem Aufbaufonds "Next Generation EU" und Budget von 2021 bis 2027 geeinigt. "Deal", teilte Ratspräsident Charles Michel Dienstagfrüh nach einen fünftägigen Verhandlungsmarathon auf Twitter mit. Das im Zuge der Coronakrise geschnürte Finanzpaket ist das größte in der Geschichte der Europäischen Union.

Mit dem Finanzpaket will sich die Europäische Union gemeinsam gegen den historischen Wirtschaftseinbruch stemmen und den EU-Binnenmarkt zusammenhalten. Gleichzeitig soll in den Umbau in eine digitalere und klimafreundlichere Wirtschaft investiert werden. Dafür werden erstmals im großen Stil im Namen der EU Schulden aufgenommen, das Geld umverteilt und gemeinsam über Jahrzehnte getilgt.

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Der schuldenfinanzierte Aufbaufonds ist 750 Milliarden Euro schwer. Das Volumen der Zuschüsse beträgt 390 Milliarden Euro (in Preisen von 2018). 360 Milliarden Euro sind als Kredite vorgesehen. Über das Verhältnis von Volumen und Krediten war lange gestritten worden. Die Gruppe der "Sparsamen" bzw. der "Frugalen" (Österreich, Niederlande, Dänemark, Schweden und Finnland) setzte eine Absenkung der nicht rückzahlbaren Zuschüsse durch, ursprünglich waren 500 Milliarden Euro von der EU-Kommission, Deutschland und Frankreich vorgeschlagen worden.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel sind zufrieden mit dem Ergebnis.
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Schulden sollen bis 2058 getilgt sein

Für den Aufbaufonds nimmt die EU ab nächstem Jahr gemeinsam Schulden auf, diese sollen bis 2058 getilgt sein. Österreich muss für den Zeitraum Haftungen in der Höhe von geschätzten 10,53 Milliarden Euro übernehmen. Größte Empfänger werden laut Diplomaten Italien, Spanien und Frankreich sein, Österreich kann mit 3,7 Milliarden Euro rechnen.

Seinen Budgetrabatt konnte Österreich unterdessen deutlich erhöhen. Er sieht für Österreich von 2021 bis 2027 eine jährliche Pauschalsumme in Höhe von 565 Millionen Euro (in Preisen von 2020 und brutto) vor. Der österreichische Rabatt vervierfacht sich somit von 137 Millionen Euro in der laufenden Periode. Der EU-Finanzrahmen für 2021 bis 2027 hat eine Gesamthöhe von 1.074,3 Milliarden Euro in Verpflichtungsermächtigungen.

Macron: "Historischer Tag für Europa"

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat die Einigung beim EU-Gipfel auf das Budget- und Finanzpaket als große Leistung gewürdigt. Macron schrieb am frühen Dienstagmorgen auf Twitter: "Historischer Tag für Europa!" Der Franzose hatte sich gemeinsam mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel für das milliardenschwere Programm gegen die Corona-Krise eingesetzt.

Im Laufe der über vier Tage des EU-Gipfels hatte es heftige Auseinandersetzungen mit den sogenannten sparsamen Staaten (Österreich, Dänemark, Schweden und die Niederlande) gegeben, die gegen Zuschüsse für bedürftige EU-Länder waren. Am Ende hatte es einen Kompromiss gegeben.

Einig wurden sich die Staats- und Regierungschefs auch in der hoch umstrittenen Frage, ob EU-Gelder künftig bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit gekürzt werden können. Dazu ist ein Beschluss im Rat der Mitgliedstaaten mit sogenannter qualifizierter Mehrheit nötig.

Kanzler kurz: "Müde, aber inhaltlich zufrieden"

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) begrüßte das Ergebnis. "Ich bin mittlerweile etwas müde, aber inhaltlich sehr zufrieden", sagte der Kanzler in den frühen Morgenstunden des Dienstag. "Wir haben ein gutes Ergebnis erreicht für die Europäische Union, und wir haben ein gutes Ergebnis erreicht für die Republik Österreich." Es sei gelungen, sich auf den Finanzrahmen zu einigen und "eine adäquate Reaktion auf die Coronakrise zustandezubringen". Durch den starken Zusammenhalt der "frugalen" Länder sei es auch gelungen, viele inhaltlich wichtige Punkte durchzusetzen.

"Das ist ein guter Deal, das ist ein starker Deal, und vor allem ist dies der richtige Deal für Europa jetzt", sagte EU-Ratschef Charles Michel. Die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen erklärte, Europa habe immer noch den Mut und die Fantasie, groß zu denken. "Wir sind uns bewusst, dass dies ein historischer Moment in Europa ist."

Kurz "inhaltlich sehr zufrieden"EU-Gipfel einigte sich auf 1,8 Billionen Euro schweres Finanzpaket

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat das Ergebnis des EU-Finanzgipfels zum EU-Budget und zum Aufbaufonds in Brüssel begrüßt. "Wir haben ein gutes Ergebnis erreicht für die Europäische Union, und wir haben ein gutes Ergebnis erreicht für die Republik Österreich."

Es sei gelungen, sich auf den Finanzrahmen zu einigen und "eine adäquate Reaktion auf die Coronakrise zustandezubringen". Durch den starken Zusammenhalt der "frugalen" Länder (Österreich, Niederlande, Schweden, Dänemark) sei es auch gelungen, viele inhaltlich wichtige Punkte durchzusetzen.

Als Beispiele nannte Kurz die Redimensionierung des EU-Budgets im Vergleich zum Erstentwurf, die Investitionen in Zukunftsinvestitionen, die zeitliche Befristung beim Recovery Fund, "dass es ein einmaliges Instrument ist und kein Einstieg in eine Vergemeinschaftlichung der Schulden oder eine Schuldenunion". Die Höhe der Zuschüsse sei von den angedachten 500 Milliarden Euro auf 390 Milliarden Euro reduziert worden.

Der österreichische Rabatt sei von 137 Millionen jährlich auf 565 Millionen jährlich angestiegen. Es sei gelungen, dass die Gelder im Recovery Fund vor allem in Ökologisierung, Digitalisierung und Reformen fließen sollen. "Und es wird sichergestellt, dass die Mittelverwendung auch wirklich genau kontrolliert wird durch einen sehr, sehr strengen Kontrollmechanismus." Bei Verdacht der nicht zweckkonformen Verwendung könne die Auszahlung gestoppt werden. Es habe einen Kompromiss bei der Rechtsstaatlichkeit gegeben, "alles in allem ein Paket, mit dem wir in Österreich sehr zufrieden sein können".

Ähnlich äußerte sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Er würdigte auf Twitter die Einigung als einen "historischen Tag für Europa". Der Franzose hatte sich gemeinsam mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel für das milliardenschwere Programm gegen die Corona-Krise eingesetzt.

Merkel zeigte sich unterdessen erleichtert über die Einigung. Es sei darum gegangen, Entschlossenheit zu zeigen. "Das war nicht einfach", sagte Merkel. Für sie zähle aber, "dass wir uns am Schluss zusammengerauft haben". Gleichzeitig sagte sie "sehr schwierige Diskussionen" mit dem Europaparlament voraus.

Für Monika Vana, Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im Europaparlament, ist die Einigung "eine gute Nachricht in letzter Minute". Mit dem Vorschlag bleibe "der Rat allerdings weit hinter den Forderungen des Europaparlaments zurück, wie etwa bei der Höhe der Zuschüsse im Aufbauplan. Über Höhe und Ausgestaltung des mehrjährigen EU-Finanzrahmens im Sinne des Grünen Deals, einen konkreteren Zeitplan für neue EU-Eigenmittel sowie einen wirksamen Rechtstaatlichkeitsmechanismus muss sich der Rat nun auf intensive Verhandlungen mit dem Europaparlament einstellen." (APA)

Ratspräsident Charles Michel teilte die Einigung Dienstagfrüh nach einen fünftägigen Verhandlungsmarathon auf Twitter mit.
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