Arbeitsmarkt

1800 Arbeitsplätze werden gestrichen: Swarovski-Totalumbau „Existenzfrage“

Insgesamt sollen bei Swarovski rund 1800 Stellen gestrichen werden.
© Swarovski

Der Tiroler Kristallkonzern baut sich komplett um und plant die Umwandlung in eine AG samt Börsen-Option. Der Standort Wattens schrumpft von 4800 auf 3000 Beschäftigte, Fokus auf Fertigprodukte. Der Kristallumsatz fällt auf unter 2 Mrd. Euro.

Von A. Vahrner, M. Strozzi

Wattens – Worüber die TT bereits in den vergangenen Monaten mehrfach berichtet hat, bestätigt nun der neue Konzernchef Robert Buchbauer. Demnach steht bei Swarovski in Wattens ein massiver Job-Kahlschlag bevor. So werden heuer in Wattens insgesamt 1200 der 4800 Stellen gestrichen – nach den kürzlich verkündeten 200 Stellen fallen im Herbst weitere 1000 Arbeitsplätze weg.

2021/2022 sollen weitere rund 600 Arbeitsplätze gestrichen werden. "Mittelfristig werden wir uns in Wattens bei einem Personalstand von etwa 3000 Mitarbeitern einpendeln", sagte Buchbauer am Dienstag gegenüber der TT. "Das ist ein sehr schmerzhafter Schritt, den wir aber setzen müssen. Andernfalls wäre das gesamte Unternehmen gefährdet", erklärte Buchbauer. Der Komponentenbereich stehe seit mehr als zehn Jahren massiv unter Druck.

📽 Video | Swarovski baut weitere 1000 Stellen ab

Künftig werde Swarovski daher den Fokus auf höherpreisige Fertigprodukte legen. Für diese Neuausrichtung sei der seit 125 Jahren gewachsene Standort Wattens deutlich zu groß. "Wir haben eine riesige Infrastruktur, die nicht mehr ­zeitgemäß ist", so Buchbauer. Er nennt die Umstrukturierung – Führung, Geschäftsfelder, Stellenabbau – eine "Überlebensfrage" für den Konzern.

Der Umsatz der Kristallsparte werde heuer von zuletzt 2,7 Mrd. auf "unter 2 Milliarden Euro" sinken. Zudem plant Swarovski die Umwandlung in eine AG. Die Option auf einen Börsengang halte man sich dann offen.

Noch seien viele Arbeiter bei Swarovski auf Kurzarbeit so Buchbauer und sprach von Umsatzeinbußen im heurigen Jahr von rund 35 Prozent auf unter zwei Milliarden Euro. Auch im kommenden Jahr sei aufgrund der Rezession noch nicht mit einem normalen Geschäftsjahr zu rechnen. Prognosen seien aber schwierig. Für die gekündigten Mitarbeiter werde es einen Sozialplan geben.

Die verschiedenen Geschäftsfelder des Konzerns würden zusammengeführt. Künftig laufe alles unter der Marke Swarovski. Zudem soll noch im Herbst der Beschluss gefasst werden, dass der Konzern zu einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft umgewandelt wird.

Swarovski-Totalumbau „Existenzfrage“

Anfang des Jahres hatte Swarovski einen massiven Kahlschlag bei den rund 4800 Arbeitsplätzen in Wattens angekündigt. Die daraufhin gegenüber der TT geäußerten Befürchtungen des Swarovski-Arbeiterbetriebsrats eines mittelfristigen Abbaus von bis zu 2000 Stellen haben sich nun bestätigt. Wie der neue Konzernchef Robert Buchbauer am Dienstag bekannt gab, werden am Standort Wattens heuer insgesamt 1200 Stellen abgebaut – zusätzlich zu den bereits bekannt gegebenen 200 Stellen werden im Herbst weitere 1000 Arbeitsplätze gestrichen. 2021/2022 solle ein weiterer Abbau von rund 600 Jobs folgen.

„Es ist ein schwerer Schritt, den wir aber setzen müssen. Sonst gefährden wir das ganze Unternehmen. Die Umstrukturierung ist eine Überlebensfrage“, sagt Robert Buchbauer.
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"Unseren Analysen zufolge wird sich der Personalstand in Wattens mittelfristig bei rund 3000 Mitarbeitern einpendeln", erklärte Buchbauer gegenüber der TT. Für den Sozialplan werde man einen zweistelligen Millionenbetrag zur Verfügung stellen. "Wir müssen den Standort Wattens, die DNA unserer Marke, redimensionieren, damit wir weiter hier produzieren und schleifen können", so der Konzernchef. Wie es mit den Werken in Serbien, Thailand, Vietnam und Indien weitergeht, sei derzeit noch offen.

Der massive Personalabbau in Wattens ist Teil eines Total­umbaus des Kristallkonzerns, den der neue Konzernchef nach dem Rückzug von Markus Langes-Swarovski aus der Geschäftsführung nun an vorderster Front umsetzt und bei dem u. a. unterschiedliche Geschäftsbereiche zusammengeführt werden sollen. Der Komponentenbereich wird gestutzt – dort will man sich auf das obere Marktsegment konzentrieren. Der Fokus werde "massiv auf Produktion von Kristall für die eigenen Fertigprodukte" gelegt, so Buchbauer: "Der Komponentenbereich ist seit 2007/2008 unter starkem Wettbewerbsdruck, in den letzten fünf Jahren hat sich bei Kristallsteinen ein ruinöser Wettbewerb entwickelt." Bei Massenprodukten liege das Preis-Verhältnis zu Dumpinganbietern teilweise bei 1 zu 100. "Der Endkundenbereich mit Schmuck und Uhren dagegen ist seit 20 Jahren erfolgreich gewachsen und hat das Unternehmen gestützt." Der Umbau sei nun eine "Existenzfrage."

Die Umstrukturierung war bereits vor der Corona-Krise in die Wege geleitet worden. Die Pandemie und die damit verbundenen weltweiten Zwangsschließungen vieler Shops haben dem Konzern aber einen weiteren Schlag versetzt. "Das hat die Notwendigkeit für Anpassungen bei der Größe, Führung und der Geschäftsstruktur beschleunigt", so Buchbauer. Bis zu 90 % der Shops waren während Corona vorübergehend zu. Die Wattener Kristallwelten verzeichnen heuer einen Rückgang von 80 Prozent. "Der internationale Tourismus findet nicht mehr statt."

Der Umsatz der Swarovski-Kristallsparte werde heuer von zuletzt 2,7 Mrd. Euro auf "unter zwei Milliarden Euro sinken". Konzernweit setzte die Swarovski-Gruppe im Vorjahr inklusive Swarovski Optik (159 Mio. Euro) und Tyrolit (685 Mio. Euro) 3,5 Mrd. Euro um. Die Gruppe beschäftigte weltweit 34.000 Mitarbeiter, davon 26.000 in der Kristallsparte (bei der heuer 6000 Stellen abgebaut wurden).

Entscheidung über Aktiengesellschaft im Herbst

Im Zuge der Neuaufstellung werde sich auch die ­rechtliche Struktur ändern müssen, meint Buchbauer. "Derzeit bestehen wir aus weltweit lose aneinandergereihten Teilen, was das ­Durchgriffsrecht erschwert. Solche Teilgesellschaften haben sich ­überlebt", erklärt Buchbauer: "Daher wird intensiv daran gearbeitet, alles in einer Aktiengesellschaft zu vereinen. Das würde viele Entscheidungswege deutlich verkürzen." Eine ­diesbezügliche Entscheidung soll im Herbst fallen.

Eine Hürde sind wohl die komplizierten Besitzverhältnisse in dem Konzern mit 80 stimmberechtigten Familien-Anteilseignern. Nötig ist eine sehr große Mehrheit. Wäre auch ein Börsengang denkbar? "Es ist gut, diese Option zu haben. Konkrete Pläne dazu gibt es aber nicht", so Buchbauer. Selbst bei einem Börsengang würde die Familie Swarovski weiterhin das Sagen haben.

Angesichts des Job-Kahlschlags dürfte auch das Ausmaß des Fußball-Engagements bei der WSG Tirol, die nach dem möglichen Konkurs des SV Mattersburg in der Bundesliga bleiben würde, auf dem Prüfstand stehen. "Das müssen die Gesellschafter entscheiden", so Buchbauer.

Ruf nach Rückzahlung der Kurzarbeitsgelder

Wattens – Die offizielle Bestätigung des Job-Kahlschlags bei Swarovski – die TT berichtete bereits mehrfach – hat gestern für heftige Reaktionen gesorgt. Tirols ÖGB-Chef Philip Wohlgemuth fordert die Rückzahlung der Corona-Kurzarbeitsgelder – Swarovski hatte zuletzt die Arbeitszeit im Schnitt auf 40 % reduziert. „Kurzarbeitsgelder kassieren und dann Leute massenhaft kündigen. Damit schafft man zuerst Hoffnung auf Sicherung der Arbeitsplätze und enttäuscht sie dann umso mehr.“ Swarovski-Chef Buchbauer betont, dass die Kurzarbeitsgelder nicht dem Konzern, sondern den Beschäftigten zugutegekommen seien. Auch dass Mitarbeiter per E-Mail gekündigt worden seien, stimme nicht. Per Mail sei der Termin für das Kündigungsgespräch bekannt gegeben worden.

Kritik kommt auch von SPÖ-Chef Georg Dornauer, nach fruchtlosen Gesprächen müsse man nun mittels Sozialplan und Stiftungen helfen. Arbeitslandesrätin Beate Palfrader (VP) kündigte an, dass das Land „im Rahmen seiner Möglichkeiten entsprechende Maßnahmen“ setzen werde. Auch die FPÖ-Tirol kritisierte die Kündigungen als „verwerflich“: Swarovski habe jahrzehntelang vom Staat und vom Land profitiert. (TT)

🔗 ÖGB Tirol fordert Rückzahlung von Swarovski-Kurzarbeitsgeld

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