Mattersburg-Bank

Mattersburg: Streit um Verantwortung des Aufsichtsrates entbrannt

Außenansicht der Servicestelle der Einlagensicherung (ESA) in der Commerzialbank-Filiale im burgenländischen Zemendorf.
© APA

Im Skandal um die Mattersburger Commerzialbank wurden inzwischen auch Klagen gegen die Republik angekündigt. Der Chef der Finanzprokuratur sieht aber dafür keine Rechtsgrundlagen. Die Aufsichtsräte des Instituts wehren sich gegen Behauptungen, sie hätten von den Malversationen gewusst und wären in kriminelle Machenschaften verstrickt.

Präsident der Finanzprokuratur Wolfgang Peschorn.
© Rachle

Wien, Mattersburg – Im Skandal um die Mattersburger Commerzialbank wird es noch lange gerichtliche Nachspiele gegeben. So sind Klagen gegen den Wirtschaftsprüfer TPA, das Land Burgenland und auch gegen die Republik in Form von Amtshaftungsklagen angekündigt. Der Präsident der Finanzprokuratur Wolfgang Peschorn beruhigt in dem Zusammenhang. Zumindest vorerst sieht er keine Rechtsgrundlagen für Klagen gegen die Republik.

Eine Haftung setzt voraus, dass es ein diesbezügliches Gesetz gibt, die diese vorschreibt.
Präsident der Finanzprokuratur Wolfgang Peschorn

Acht der insgesamt zehn Aufsichtsräte des pleitegegangenen Instituts wehren sich indessen gegen Behauptungen, sie hätten von den Malversationen gewusst und wären in kriminelle Machenschaften verstrickt gewesen. "Das geht entschieden zu weit", betont Anwalt Christoph Leitgeb von der Kanzlei DSC Doralt Seist Csoklich, der die Acht vertritt.

"Was es wiegt, das hat's"

Bezogen auf die Haftung sei im Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz gar keine Haftung gegenüber Anlegern festgeschrieben, betonte Peschorn im Ö1-Morgenjournal.

Auch in Deutschland gebe es keine Haftung für ein "behauptetes Fehlverhalten" der Aufsicht. In Österreich sei dafür zuletzt die Einlagensicherung ausgeweitet worden. Diese funktioniere auch perfekt. Sehr wohl stellt man sich aber auf viele und lange Verfahren ein, so Peschorn. Er sei guten Mutes, da es nun ein Konkursverfahren gebe, "dass wir einmal die Ursachen für diesen sogenannten Skandal herausfinden", sagte der Anwalt der Republik.

Stehen die Ursachen fest, sagt Peschorn: "Was es wiegt, das hat's. Dann müsse man sich anschauen, wo Verantwortlichkeiten seien und letztendlich ob eine Rechtsgrundlage bestünde für Haftungen.

"Wir nehmen jedes Schreiben natürlich ernst"

Bisher gibt es erst "ein wirkliches Aufforderungsschreiben" an die Republik, in dem ein Versagen der Aufsicht durch Nationalbank (OeNB) und Finanzmarktaufsicht (FMA) vorgeworfen wird, sagte Peschorn. "Wir nehmen jedes Schreiben natürlich ernst." Ein medial bekannt gewordenes Schreiben eines Anwalts sei hingegen "substanzlos".

Aufgrund des Aufforderungsschreibens komme es zu einem sogenannten Aufforderungsverfahren, geregelt im Amtshaftungsgesetz. In weiterer Folge könnte es zu vielen Amtshaftungsklagen kommen. Denn es werde sich immer jemand finden, der die Republik klagen wolle - es gehe um viel Geld, auch für Prozessfinanzierer. "Daher stellen wir uns auf lange Verfahren ein."

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Neuer Verein MSV 2020 in Mattersburg gegründet

Mattersburg erhält einen neuen Fußball-Verein. Die Gründungssitzung des Mattersburger Sportverein 2020 ging am Montagnachmittag über die Bühne, bestätigte der Vorsitzende des neuen Vorstandes, der Bauunternehmer Manfred Strodl.

Der Verein, kurz MSV 2020 genannt, hat sich vorerst vor allem der Jugendarbeit verschrieben. 130 bis 140 Kindern und Jugendlichen ab der U7 soll weiterhin die Möglichkeit gegeben werden, in Mattersburg Fußball zu spielen.

▶️ Strodl: "Da ist richtig Potenzial da. Es wäre schade, wenn das verloren geht."

Für das kommende Jahr 2021/22 ist dann auch ein Neubeginn mit einer Kampfmannschaft angedacht.

▶️ Strodl: "Wir wollen von unten aufbauen mit Eigenbauspielern. Wir gehen Schritt für Schritt, das Ganze muss auf einer breiten Basis stehen."

Ein genaues Konzept dazu soll bis Herbst erarbeitet werden. Im Vorstand sitzen laut Strodl, dem Gründer und Geschäftsführer der Firma MS BAU, neben ihm vorerst noch Michael Harrer, Martin Deischler und Richard Vogler.

Mitverantwortung "bei den Organen der Bank"

Eine Mitverantwortung an Österreichs jüngstem Bankenskandal ortet Peschorn nicht bei von Nationalbank (OeNB) und Finanzmarktaufsicht (FMA), sondern bei den Organen der Bank - also der Geschäftsleitung und dem Aufsichtsrat sowie dem Bankprüfer TPA. "Denen hätte das auffallen müssen, was hier passiert ist.

Es ist ihnen wahrscheinlich auch aufgefallen und sie haben jahrelang kriminelle Energie in jahrelange Bilanzfälschungen, so wie es momentan ausschaut, hineingesteckt. Also dort liegt die rechtswidrige und schuldhafte Handlung."

Wie die Aufsicht stattfindet, das sei ein Thema, das die Republik schon sehr lange begleitet, sagte Peschorn. "Da gibt es immer die Frage wer ist zuständig – OeNB, FMA? Jetzt muss man sich auch die Frage stellen was muss konkret geprüft werden." Die in der Kritik stehende Arbeit der Prüfer von FMA und OeNB verteidigte Peschorn damit, dass jahrelange Bilanzfälschung zugegeben worden sei – professionalisiert über Jahrzehnte.

"Geschickt getäuscht und betrogen"

Aufsichtsratsvize: "Wir sind jetzt die Depperten"

Nachdem Peschorn den Aufsichtsrat in die Pflicht nahm, wehrt sich Commerzialbank-Vizeaufsichtsratschef Wilhelm Grafl. Man habe sich auf die Wirtschaftsprüfer von TPA und die Bankenaufsicht verlassen:

▶️ Grafl: "Wir sind jetzt die Depperten."

Peschorn hatte bei der Geschäftsleitung und beim Aufsichtsrat ein "rechtswidriges und schuldhaftes" Verhalten geortet. Grafl hingegen holt die "Profis" TPA, Nationalbank (OeNB) und Finanzmarktaufsicht (FMA) ins Boot. Diese hätten "immer eine weiße Weste bescheinigt:

▶️ Grafl: Und warum soll uns 'was auffallen, wenn nicht 'mal die Profis draufkommen, dass da kriminelle Machenschaften dahinter sind."

Bei den Prüfungen 2015, 2017 und heuer habe der Aufsichtsrat nichts davon erfahren, dass es Verdachtsmomente gebe. Man sei von "normalen Prüfungen" ausgegangen.

▶️ Grafl: "Dass da ein Whistleblower dahinter ist, haben wir nie erfahren. Wenn wir da nicht agiert hätten, dann wären wir wirklich die Blöden gewesen."

Gegen die Vorwürfe von Peschorn wehren sich nun acht von zehn Aufsichtsräten der Bank. Zu behaupten, dass den Aufsichtsräten "wahrscheinlich etwas aufgefallen sei" und sie "kriminelle Energie hineingesteckt hätten", das gehe entschieden zu weit, hielt ihr Rechtsvertreter Christoph Leitgeb von der Kanzlei DSC Doralt Seist Csoklich, gegenüber der APA fest.

Leitgeb kritisierte, dass Peschorn die Aufsichtsräte "in einem Atemzug mit den für die aufgedeckten Malversationen verantwortlichen Vorständen der Bank genannt hatte". Denn wenn etwas "wahrscheinlich" sei, dann das, dass "alle" - nämlich Finanzmarktaufsicht (FMA), Wirtschaftsprüfer und die Aufsichtsräte - äußerst geschickt getäuscht und betrogen worden seien.

"Die Frage ist größer als die Frage nach der Aufsicht"

Die von Leitgeb vertretenen Aufsichtsräte hätten auch keine Millionen-Kredite erhalten, wie dies von der SPÖ Burgenland behauptet worden sei. Und dass die Aufsichtsräte unmittelbar vor Schließung der Bank Abhebungen getätigt, um ihre Sparguthaben "zu retten" entsprechen nicht der Wahrheit. Die Aufsichtsratsmitglieder würden vielmehr "selbst zu den Getäuschten und Betrogenen gehören"

Für Peschorn ist die "Frage hingegen größer als nur die Frage nach der Aufsicht und was dort faul sei". "Wenn vorgeworfen wird, dass das für FMA oder OeNB erkennbar gewesen sei anhand von Kennzahlen, dann frage ich mich, was war mit den Mitbewerbern, was war mit der Umgebung, was war mit den Menschen die durchaus professionell veranlagen – 30, 40 Millionen – aber nicht erkennen, dass hier offenbar Erträgnisse versprochen werden, die nicht realistisch sind", sagt Peschorn in Richtung professioneller Anleger. (APA, TT.com)

Eine Art "Selbstbehalt für Sparer"

RBI-Chef Johann Strobl
© APA/HANS KLAUS TECHT

Die Raiffeisen-Gruppe wird wegen des Skandals um die Mattersburg-Bank in nächster Zeit wohl mehr in den Fonds der Einlagensicherung einzahlen müssen als bisher. Der gesamte Konzern sei mit ungefähr 45 Prozent in der Einlagensicherung "drinnen", wobei die RBI selbst etwas weniger betroffen sei, so RBI-Chef Johann Strobl am Rande einer Pressekonferenz.

▶️ Strobl: "Die Raiffeisen Bank International (RBI) hat keine direkte Relation zur Mattersburger Commerzialbank."

Wie viel die Gruppe genau in die Einlagensicherung nachschießen werden muss, bezifferte der Bankchef nicht.

Der Bankchef wünscht sich jedoch eine gewisse Mindest-Verantwortung für die Sparer selbst. Er denkt dabei an eine Art Selbstbehalt so wie es bei anderen Versicherungen auch der Fall sei, so Strobl.

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