Deutschland

Autounfälle in Berlin waren wohl islamistisch motiviert: Mehrere Verletzte

Auf der Fahrbahn liegen Trümmer und ein Motorradhelm. Ein Motorrad ist quer in die Front des Wagens geklemmt.
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Auf der Berliner Stadtautobahn verursachte ein Mann am Dienstagabend mehrere Unfälle, sechs Menschen wurden verletzt. Die Tat war laut Behörden islamistisch motiviert. Als der Mann aus dem Auto ausstieg, drohte er mit einer verdächtigen Kiste. Die vermeintliche Bombe stellte sich als Attrappe heraus. Der Staatsschutz ermittelt.

Berlin – Ein Zwischenfall auf einer Stadtautobahn in Deutschlands Hauptstadt Berlin mit mehreren Unfällen und Verletzten ist nach derzeitigen Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft ein islamistischer Anschlag gewesen. Das teilte der Sprecher der Berliner Generalstaatsanwaltschaft, Martin Steltner, am Mittwoch mit. Es gebe aber auch Hinweise auf psychische Probleme des 30-jährigen Irakers.

Gegen den Iraker werde nun wegen versuchten Mordes in mehreren Fällen ermittelt, sagte der Sprecher. Die Zusammenstöße seien absichtlich verursacht worden. Die Äußerungen des Fahrers legten eine religiös motivierte Tat nahe. „Aufgrund der Umstände gehen wir nicht von einem zufälligen Unfallgeschehen aus." Und weiter: „Es handelt sich nach dem derzeitigen Ermittlungsstand um gezielte Angriffe vor allem auf Motorradfahrer mit zum Teil schwerwiegenden Folgen.“

Das stark beschädigte Auto des Fahrers stand zuletzt auf der Autobahnausfahrt Alboinstraße in Berlin-Tempelhof Richtung Westen.
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Iraker drohte mit vermeintlicher Munitionskiste

Der Mann hatte an drei Stellen auf der Autobahn nahe der Berliner Innenstadt die Crashs verursacht. Dabei wurden drei Menschen schwer und drei leicht verletzt. Der Fahrer verließ nach den Unfällen sein Fahrzeug und stellte eine angebliche Munitionskiste auf dem Auto ab. Er sagte, in der Kiste befände sich ein „gefährlicher Gegenstand". Später stellte sich heraus, dass es sich um eine Werkzeugkiste handelte, von der keine Gefahr ausging. Kriminaltechniker schossen die Kiste mit einem Wassergewehr auf. Sprengstoffspuren seien im Auto nicht gefunden worden, sagte eine Polizeisprecherin auf Anfrage.

Mann postete Hinweise auf Facebook

Der mutmaßliche Täter von der Berliner Stadtautobahn hat im Internet Hinweise auf die geplante Tat veröffentlicht, bevor er mit einen Fahrzeug mehrere Menschen verletzte.

Auf seiner Facebook-Seite postete der Iraker Fotos des Autos, mit dem er später absichtlich mehrere Fahrzeuge rammte, sowie religiöse Sprüche.

Gegen den Mann, der durch die Unfälle für stundenlange Sperrungen der Autobahn sorgte, ermittelt der für politisch motivierte Taten zuständige Staatsschutz der Kriminalpolizei. Nach derzeitigem Stand haben die Ermittler keine Anhaltspunkte für eine Mitgliedschaft des Verdächtigen in einer terroristischen Vereinigung. Aus Sicherheitskreisen erfuhr die Deutsche Presse-Agentur, dass der Iraker in Kontakt gestanden habe zu einem als Gefährder bekannten Islamisten. Der Berliner Tagesspiegel berichtete, der Gefährder werde dem Spektrum der Terrormiliz Islamischer Staat zugeordnet.

30-Jähriger muss vor den Haftrichter

Nach der Mitteilung von Staatsanwaltschaft und Polizei sollte der 30-Jährige einem Haftrichter zum Erlass eines Haftbefehls wegen versuchten Mordes vorgeführt werden. Es sei eine Ermittlungsgruppe „Motorrad“ gegründet worden.

Wegen der andauernden Untersuchungen waren Teile der Autobahn am Mittwochmorgen zunächst noch gesperrt. Am Dienstag hatte die Polizeiauch eine Drohne für Video- und Fotoaufnahmen aus der Luft eingesetzt. Während die Drohne flog, mussten aus Sicherheitsgründen beide Fahrtrichtungen der Autobahn gesperrt werden. Das stark beschädigte Auto des Fahrers stand zuletzt auf der Autobahnausfahrt Alboinstraße in Berlin-Tempelhof in Fahrtrichtung Osten und Neukölln. Dort in der Nähe hatte sich wohl der dritte Crash ereignet.

Terrorwaffe Fahrzeug: Anschläge in Europa

Schon mehrfach wurden Fahrzeuge als tödliche Rammböcke verwendet. Wann immer Angreifer das Gaspedal durchdrücken, können aus Fahrzeugen tödliche Rammböcke werden. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) hat mehrfach dazu aufgefordert, "Ungläubige" zu überfahren. Ein Rückblick auf einige Beispiele:

➤ PARIS, April 2020: Nahe der französischen Hauptstadt rammt ein IS-Anhänger drei Polizisten auf Motorrädern und verletzt einen von ihnen schwer.

➤LONDON, August 2018: Ein Brite sudanesischer Herkunft rast vor dem Parlament mit dem Auto in Radfahrer, Fußgänger und Polizisten. Es gibt mehrere Verletzte.

➤ BARCELONA, August 2017: Auf der Flaniermeile Las Ramblas sowie im Küstenort Cambrils lenken Terroristen Lieferwagen in Passanten. 16 Menschen werden getötet, mehr als 120 verletzt.

➤ STOCKHOLM, April 2017: Im Zentrum rast ein gekaperter Lastwagen in die Menge und dann in ein Kaufhaus. Fünf Menschen sterben. Der Täter ist ein IS-Anhänger aus Usbekistan.

➤ LONDON, Juni 2017: Mit einem Transporter töten Terroristen erst drei Menschen auf der London Bridge und erstechen dann fünf weitere am Borough Market. Polizisten erschießen die drei Täter.

➤ LONDON, März 2017: Auf der Westminster Bridge überfährt ein britischer IS-Anhänger vier Fußgänger und ersticht vor dem Parlament einen unbewaffneten Polizisten, bevor er erschossen wird.

➤ BERLIN, Dezember 2016: Zwölf Menschen sterben, als ein IS-Anhänger seinen gekaperten Lastwagen auf einen Weihnachtsmarkt steuert. Polizisten erschießen den Tunesier bei einer Kontrolle nahe Mailand.

➤ NIZZA, Juli 2016: Am französischen Nationalfeiertag rast ein Lastwagen in eine Menschenmenge. Der islamistische Attentäter tötet 86 Menschen und verletzt mehr als 200.

Berliner Innensenator beklagt Verletzlichkeit der freien Gesellschaft

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat sich bestürzt über den Anschlag auf der Autobahn gezeigt. „Nach jetzigem Stand der Erkenntnisse gehen wir von einem islamistischen Anschlag aus. Ein religiös motivierter Tathintergrund ist nicht auszuschließen“, teilte Geisel am Mittwoch mit. Die Unfälle seien gezielt herbeigeführt worden. „Die Tatsache, dass der Tatverdächtige möglicherweise unter psychischen Problemen litt, macht die Sache nicht einfacher. Wenn sich persönliche Probleme mit religiös aufgeladenen Vorstellungen vermischen, kann dies zu unkontrollierbarem Handeln führen.“

Geisel erklärte weiter: „Wenn ein Auto gezielt auf Motorradfahrer auffährt, haben diese keine Chance.“ Unbeteiligte Menschen seien „aus dem Nichts heraus Opfer einer Straftat geworden“. Unter den drei Schwerverletzten sei auch ein Feuerwehrmann, der auf dem Heimweg war. „Die gestrigen Ereignisse zeigen uns sehr schmerzhaft, wie verletzlich unsere freie Gesellschaft ist.“ Berlin stehe „weiterhin im Fokus des islamistischen Terrorismus“. (APA, TT.com, dpa)