Trump muss um Mehrheit für seinen Richter-Vorschlag bangen
US-Präsident Donald Trump drängt nach dem Tod von Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg auf eine rasche Neubesetzung. Doch bei seinem Vorschlag muss der Senat zustimmen. Und ausgerechnet in den eigenen Reihen des Präsidenten regt sich Widerstand.
Philadelphia – US-Präsident Donald Trump muss nach dem Tod der Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg um die notwendige Unterstützung des Senats für eine rasche Neubesetzung am Obersten Gericht bangen. Am Sonntag sprach sich eine zweite Senatorin von Trumps Republikanern gegen eine Abstimmung über die Ginsburg-Nachfolge noch vor der in rund sechs Wochen anstehenden Präsidentschaftswahl aus.
Die Verfassungsrichter werden zwar vom Präsidenten nominiert, doch muss der Senat zustimmen. Sie werde kein Senatsvotum über die Nachfolgerin oder den Nachfolger Ginsburgs "so kurz vor der Wahl" unterstützen, erklärte die Senatorin Lisa Murkowski aus dem Bundesstaat Alaska. Zuvor hatte sich bereits die republikanische Senatorin Susan Collins aus Maine gegen das von Trump gewünschte schnelle Votum gestellt. Beide Senatorinnen gehören dem moderaten Parteiflügel an.
Durchsetzung der Neubesetzung wackelt
Angesichts der nur knappen Senatsmehrheit der Republikaner bedeuten die Erklärungen von Murkowski und Collins, dass Trump bei nur zwei weiteren republikanischen Abweichlern die rasche Neubesetzung am Supreme Court voraussichtlich nicht durchsetzen könnte.
Der oppositionelle Präsidentschaftskandidat Joe Biden appellierte eindringlich an den Senat, nicht bereits vor der Wahl über die Ginsburg-Nachfolge abzustimmen. Das Vorhaben Trumps, den vakanten Posten möglichst schnell zu besetzen, kritisierte der Demokrat als "Machtmissbrauch" und Akt "roher politischer Macht".
"Wenn ich die Wahl gewinne, sollte Präsident Trumps Nominierung zurückgezogen werden", forderte Biden in einer Rede in Philadelphia. Der frühere Vizepräsident liegt in den Umfragen derzeit vor Trump.
Den Republikanerchef im Senat, Mitch McConnell, kritisierte Biden dafür, dass dieser "in der Stunde nach der Verkündung des Todes" von Ginsburg bereits angekündigt habe, eine Abstimmung über ihre Nachfolge zu organisieren. McConnell hatte erklärt, dass er sich einem Votum über die Ginsburg-Nachfolge noch vor der Wahl nicht verweigern werde – in Abkehr von seinem eigenen früheren Verhalten.
Richterbesetzung von höchster Brisanz
Im Jahr 2016 hatte McConnell über zehn Monate vor der Präsidentschaftswahl hinweg den Nominierungsprozess für einen vom damaligen Präsidenten Barack Obama vorgeschlagenen Nachfolger für einen verstorbenen konservativen Richter blockiert. Der Personalvorschlag Obamas scheiterte damit – und Trump ernannte, kurz nachdem er Obama Anfang 2017 als Präsident ablöste, erneut einen konservativen Richter für den vakanten Posten am Supreme Court.
Die Besetzung des obersten Gerichts ist in den USA von höchster politischer Brisanz. Wegen der starken Polarisierung des Landes hat der Supreme Court häufig in Schlüsselfragen – von der Abtreibung über den Waffenbesitz bis zur Todesstrafe – das letzte Wort.
Zudem werden die Verfassungsrichter auf Lebenszeit ernannt, womit ihre Nominierung durch den Präsidenten potenziell Auswirkungen für Jahrzehnte hat. Trump hat in seiner Amtszeit bereits zwei konservative Richter an den Supreme Court ernannt und damit ein Übergewicht der Konservativen im neunköpfigen Richterkollegium hergestellt. Durch einen weiteren Konservativen könnte dieses Übergewicht für lange Zeit zementiert werden.
Ginsburg war am Freitag im Alter von 87 Jahren an Krebs gestorben. Sie war eine von vier verbliebenen Linksliberalen in dem Richterkollegium. Trump nannte die Regelung ihrer Nachfolge eine "Verpflichtung ohne Aufschub". Daher werde er "sehr bald" eine Wahl treffen, wobei es sich "höchstwahrscheinlich" um eine Frau handeln werde.
Ginsburg selbst hatte laut dem öffentlichen Radiosender NPR kurz vor ihrem Tod die Hoffnung geäußert, dass ihr Nachfolger erst nach der Präsidentschaftswahl bestimmt werde. Wenige Tage vor ihrem Tod diktierte sie demnach ihrer Enkelin Clara Spera ihren "letzten Willen": "Mein sehnlichster Wunsch ist, dass ich nicht ersetzt werde, bis ein neuer Präsident eingesetzt wurde." (APA/AFP)
Trumps Kandidatinnen für das Oberste Gericht im Kurzporträt
US-Präsident Donald Trump hat am Samstag zwei konkrete Kandidatinnen für die Nachfolge der verstorbenen liberalen Richterin Ruth Bader Ginsburg am Supreme Court genannt. Ob es eine der beiden wird, ist unklar – aber diese Namen sind zumindest im Gespräch. Es folgen Kurzporträts der beiden Bundesberufungsrichterinnen.
Amy Coney Barrett (48) lehrte an der Notre Dame Law School in Indiana bevor sie von Trump 2017 für einen Sitz am Bundesberufungsgericht in Chicago nominiert wurde. Der Senat bestätigte die Ernennung der konservativen Katholikin mit 55 zu 43 Stimmen. Gegner eines strengeren Abtreibungsrechts befürchten, dass Barrett als Verfassungsrichterin für eine Aufhebung von Roe v. Wade stimmen würde, ein Urteil des Supreme Court von 1973, das ein landesweites Recht auf Abtreibung festschreibt. Barrett hat sieben Kinder.
Barbara Lagoa (52) war früher am Obersten Gericht des Bundesstaates Florida tätig. Trump nominierte sie 2019 für ein Bundesberufungsgericht in Atlanta. Ihre Ernennung wurde vom Senat mit 80 zu 15 Stimmen und damit eher parteiübergreifend bestätigt. Sie gilt damit als eine weniger kontroverse Kandidatin. Lagoa ist kubanischer Abstammung und war die erste hispanische Verfassungsrichterin in Florida.