Hintergrund

Die Muslimbruderschaft: Für islamische Moral und Sharia

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Seit rund 60 Jahren ist die Muslimbruderschaft auch in vielen westlichen Ländern präsent. Ihr Ziel ist bis heute die Umformung der Gesellschaft nach islamischen Moralvorstellungen und die Errichtung eines Staates, der auf den Prinzipien des islamischen Rechts ("Sharia") beruht.

Wien, Kairo – Die Muslimbruderschaft, 1928 von dem ägyptischen Volksschullehrer Hassan al-Banna gegründet, gilt als älteste und einflussreichste sunnitische islamistische Bewegung. Seit rund 60 Jahren ist sie auch in vielen westlichen Ländern präsent. Ihr Ziel ist bis heute die Umformung der Gesellschaft nach islamischen Moralvorstellungen und die Errichtung eines Staates, der auf den Prinzipien des islamischen Rechts ("Sharia") beruht.

Hassan al-Banna, der Gründer der Muslimbruderschaft.
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Das Oberhaupt legitimiert sich ausschließlich durch die Anwendung dieser "Ordnung Gottes", die für die Muslimbrüder als alternativlos gilt. Um ihre Ziele zu erreichen, setzt die Muslimbruderschaft auf eine Durchdringung der Gesellschaft durch eine entsprechend geschulte muslimische Elite, die als Multiplikator fungieren soll.

Aus dem Untergrund an die Staatsspitze

Um die Umwälzung des politischen Systems voranzutreiben, setzte Gründer al-Banna zunächst also stark auf Bildungs- und Sozialinitiativen. Aufgrund ihres zunehmend militanten und gewaltsamen Vorgehens wurde die Muslimbruderschaft jedoch ab den 1950er-Jahren in Ägypten verboten und arbeitete fortan im Untergrund. 2012 wurde der Muslimbruder Muhammad Mursi der erste frei gewählte Präsident des Landes, ein Jahr später wird er jedoch gestürzt, seine Partei als Terrororganisation eingestuft. Bis auf wenige Ausnahmen sitzen ihre politischen Führer im Gefängnis.

Aufgrund des Verbots und um einer möglichen Verhaftung zu entgehen, emigrierten viele Mitglieder der Muslimbrüder ins Ausland. Im Westen verbreitete sich die Organisation bereits Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre und wurde von einer zunächst temporären Einrichtung zum fixen Bestandteil und einer Art Lobby für die ursprüngliche Gruppierung im Nahen Osten. Heute ist sie ein transnationales Netzwerk mit starken lokalen Ausprägungen, nicht nur in muslimisch geprägten Ländern. Prominentester Unterstützer der Muslimbruderschaft ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und dessen Partei AKP. Auch das Golfemirat Katar unterstützt die Bewegung.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Partei AKP gelten als Unterstützer der Muslimbruderschaft.
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Die Muslimbruderschaft sei "partizipativ islamistisch" und wolle das System "infiltrieren" – auf lokaler Ebene bis hin zu den höchsten Ämtern, sagt der Extremismusforscher Lorenzo Vidino von der George Washington Universität, der vor rund zwei Jahren in einer Studie vor dem Einfluss der Organisation in Österreich gewarnt hatte. Das große Fragezeichen sei, ob deren Vertreter auch wirklich an das westliche System glaubten, an die Demokratie glaubten, so Vidino.

Die Muslimbruderschaft befördere, schrieb Vidino 2017, das Narrativ des Opfertums von Muslimen und nutze anti-muslimische Vorfälle zur verstärkten Propagierung einer "Wir gegen Sie"-Haltung: "Personen, die der Muslimbruderschaft nahestehen, zielen auf eine Spaltung der Gesellschaft und eine Stärkung des Einflusses des politischen Islam ab".

Hamas als Ablegerorganisation der Muslimbruderschaft

Europäische Organisationen, die der Muslimbruderschaft nahestehen, finden in der "Föderation der Islamischen Organisationen in Europa" (FIOE) mit Sitz in Brüssel ihren Dachverband.

Eine der Ablegerorganisationen, die nach dem Verbot der Muslimbruderschaft in Ägypten im Ausland entstand, ist die radikal-islamische Hamas, deren Einrichtungen in Österreich ebenfalls im Fokus der Razzien vom Montagfrüh standen. Die im Gazastreifen herrschende Gruppe wurde von dem später von Israel getöteten Scheich Ahmed Yassin kurz nach Beginn der ersten Intifada 1987 gegründet. Die Hamas lehnt die Existenz des Staates Israel ab. Die EU und die USA stufen sie als Terrororganisation ein. (APA)

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