Hass im Netz: Regierung legt überarbeitetes Gesetzespaket vor
Die türkis-grüne Regierung hat die Stellungnahmen aus dem Begutachtungsverfahren berücksichtigt und Änderungen vorgenommen. Am Mittwoch hat sie die Regierungsvorlage im Ministerrat beschlossen.
Wien – Die türkis-grüne Regierung hat am Mittwoch im Ministerrat die Regierungsvorlage zum Gesetzespaket gegen Hass im Netz beschlossen. In dieser wurden die Stellungnahmen aus dem Begutachtungsverfahren berücksichtigt und mehrere Nachjustierungen vorgenommen. So gelten die Bestimmungen zum Schutz der Nutzer auf Kommunikationsplattformen nur für große, auf Profit ausgerichtete Plattformen. Und die als zu hoch kritisierten Strafandrohungen für das sogenannte Upskirting wurden teils herabgesetzt.
Die für das Gesetzespaket zuständigen Ministerinnen Alma Zadic (Grüne) und Karoline Edtstadler (ÖVP) zeigten sich im Pressefoyer nach dem Ministerrat von ihrem Werk begeistert. „Ein guter Tag beginnt mit einer Regierungsvorlage gegen Hass im Netz", sagte Edtstadler. Ihr sei ein „ordentliches Begutachtungsverfahren" wichtig gewesen, und nach diesem habe man nun das Feintuning vorgenommen.
„Wollen nicht weiter zusehen"
Hass im Netz verbreite sich unkontrollierbar. Und der Terroranschlag in Wien habe gezeigt, dass aus diesem Hass Gewalt in der analogen Welt werden könne. Onlineplattformen bilden hier oft eine Echokammer. „Wir wollen hier nicht weiter zusehen. Das Problem ist ein akutes und deswegen besteht jetzt Handlungsbedarf", so Edtstadler. Es brauche aber auch eine europäische Lösung, sie sei daher im intensiven Austausch mit der EU-Kommission, wo gerade ein „Digital Services Act" vorbereitet wird. Für den aktuellen Gesetzesentwurf läuft bis 2. Dezember auch noch das Notifizierungsverfahren bei der Kommission.
„Hass und Gewalt im Netz begleiten uns schon lange. Und den Worten können rasch Taten folgen", ergänzte Zadic. „Für dieses gesamtgesellschaftliche Phänomen, braucht es umfassende Lösungen." Mit dem heute beschlossenen „umfassenden Paket" habe man zum einen die Plattformregulierung geschaffen und zum anderen das Zivil- und Strafrecht angepasst, so die Justizministerin. „Das große Ziel war es, dass Betroffene schneller und kostengünstiger zu ihrem Recht kommen, ihnen Werkzeuge in die Hand zu geben, um sich gegen Hasspostings zur Wehr setzen zu können."
Neue Eilverfahren sollen helfen – Personalmangel in Justiz
Das werde mit dem neuen Eilverfahren mittels Antrag auf Unterlassung beim Bezirksgericht bewerkstelligt, erklärte Zadic. Damit könne man binnen weniger Tage eine Löschung beim Täter oder bei der Plattform beantragen. Man sei aber auch auf die Bedenken im Begutachtungsverfahren eingegangen und habe mehre Präzisierungen vorgenommen, etwa bezüglich der Datensicherheit oder der Neufassung der Persönlichkeitsrechte, die die NS-Opfer- und Täterforschung erschweren hätte könnte. Hier habe man Wissenschaft und Kunst ausgenommen.
Wie viel Zusatzpersonal die Gerichte durch die neuen Gesetze, die mit 1. Jänner in Kraft treten sollen, brauchen werden, wisse man heute noch nicht, sagte Zadic. Es werde sich um ein automatisiertes Eilverfahren handeln, insofern sei dies schwer abschätzbar. Man werde den Mehraufwand beobachten und dann entsprechend reagieren.
Die SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim kritisiert indes, dass damit die Herausforderungen an die Justiz steigen. Gleichzeitig gebe es aber Personalmängel in der Justiz. Als Beispiel seien Großverfahren oder das Paket zu „Hass im Netz“ erwähnt. „Die Standesvertretungen fordern 70 Planstellen für richterliches Personal, damit das Paket angemessen umgesetzt werden kann. Im Budget ist keine einzige vorgesehen und das finde ich alarmierend“, so die SPÖ-Justizsprecherin.
Yildirim kritisiert geringeres Strafausmaß bei Upskirting
Beim Upskirting wird das reine Fotografieren nur mit bis zu sechs statt zwölf Monaten Freiheitsstrafe sanktioniert. Werden die Bilder auch verbreitet, bleibt es bei einem Jahr. Dazu SPÖ-Justizsprecherin Yildirim: „Es ist völlig unverständlich, warum der Strafrahmen beim sogenannten ‚Upskirting‘ wieder von einem Jahr auf sechs Monate herabgesetzt wird."
Mit einem Strafmaß von sechs Monaten werde der neue Tatbestand in eine gewisse Nähe von Bagatelldelikten gerückt. „Heimlich intime Fotos von Frauen und Mädchen zu machen und dann womöglich noch im Netz zu verbreiten, ist ein schwerer Angriff auf die Integrität von Frauen und Mädchen und keine Ehrenbeleidigung. Ein Relativieren mit Heruntersetzen der Strafe ist daher völlig unangebracht“, so Yildirim.
Ausnahme für YouTube
Eine Ausnahme gibt es für Videos auf Video-Sharing-Plattformen wie YouTube. Diese sind – ebenso wie Enzyklopädien, Handels- und Bildungsplattformen sowie nicht gewinnorientierte Plattformen – von den neuen Regeln des Kommunikationsplattformen-Gesetzes ausgenommen. Dies deshalb, weil für Videodienste eine eigene EU-Richtlinie greift, derzufolge gegen potenziell illegale Inhalte am Sitz des jeweiligen Unternehmens vorgegangen werden muss (siehe auch Factbox).
Im Bundeskanzleramt hieß es dazu auf APA-Anfrage, dass Kommentare auf YouTube sehr wohl unter das Melde- und Sanktionsregime des neuen Gesetzes fallen. Bezüglich der Videos gelte aufgrund der „Audiovisuelle Mediendienste-Richtlinie" aber ein „strenges Herkunftslandprinzip". Außerdem wird betont, dass die Ausnahme nicht für Videos in allen sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram gelte, sondern lediglich für dezidierte „Video-Sharing-Plattformen".
In Kraft treten sollen die neuen Regeln mit 1. Jänner. Beschlossen werden können sie frühestens Anfang Dezember. Bis dahin läuft eine „Stillhaltefrist" (3. Dezember), um der EU-Kommission und den anderen Mitgliedsländern Zeit für allfällige Einwände zu geben. Dies deshalb, weil das neue „Kommunikationsplattformen-Gesetz" in die in Europa geltende Dienstleistungsfreiheit eingreift.. (APA)
Hass im Netz: Das Gesetzespaket im Detail
Reichweite und Ausnahmen: Das neue „Kommunikationsplattformen-Gesetz" gilt für „in- und ausländische Anbieter von Kommunikationsplattformen", die mehr als 100.000 Nutzer oder einen Umsatz in Österreich von über 500.000 Euro haben und die – das ist neu –gewinnorientiert arbeiten. Nicht kommerzielle Plattformen werden also ausgenommen.
Gänzlich ausgenommen sind außerdem Handelsplattformen wie "willhaben", Online-Enzyklopädien wie Wikipedia, Bildungsangebote und Medienunternehmen. Ebenfalls neu ist die Ausnahme für Videos auf Videoplattformen wie YouTube und in sozialen Medien wie Facebook oder Instagram. Gegen potenziell illegale Videos soll – entsprechend einer EU-Richtlinie – nicht in Österreich, sondern am Sitz der jeweiligen Firma vorgegangen werden. Eine Klarnamenpflicht für Nutzer ist generell nicht vorgesehen.
Meldung und Löschung: Die Plattformen müssen einen für Behörden und Gerichte erreichbaren, deutschsprachigen Beauftragten nominieren und ein „wirksames und transparentes Verfahren" für die Meldung und Löschung rechtswidriger Inhalte einrichten. Gelöscht werden muss binnen 24 Stunden, wenn die Rechtswidrigkeit „bereits für einen juristischen Laien (...) offenkundig" ist, bzw. binnen 7 Tagen, wenn eine detaillierte Prüfung nötig ist. Über Anzahl und Ergebnis der Meldungen sind jährlich (bzw. ab einer Mio. Nutzern halbjährlich) Berichte zu veröffentlichen.
Umgekehrt soll es aber auch ein Beschwerdeverfahren für die von Löschung oder Sperre betroffenen User geben, um „Overblocking" zu vermeiden. Für eine allfällige Strafverfolgung sind die gelöschten Postings zumindest zehn Wochen zu speichern. Und in der Strafprozessordnung wird geregelt, dass Opfer bei Gericht die Ausforschung des mutmaßlichen Täters beantragen kann (aus Datenschutzgründen wird aber sichergestellt, dass das Opfer nur die dafür notwendigen Daten erhält).
Strafen und Sanktionen: Sollten Nutzer mit dem Beschwerdeverfahren unzufrieden sein, können sie sich an die Medienbehörde KommAustria wenden. Diese kann bei wiederholten Verstößen Geldstrafen bis zu 10 Millionen Euro verhängen. Sollte eine Onlineplattform keinen Sitz in Österreich haben, will man die Strafen eintreiben, indem Zahlungen österreichischer Firmen an die Plattform "abgefangen" werden (also z.B. die Zahlungen von Werbekunden an das Online-Unternehmen). Möglich sind auch Geldstrafen gegen die von den Firmen nominierten Beauftragten (bis 10.000 Euro statt bis 50.000 im ersten Entwurf).
Upskirting: Neu geschaffen wird eine Strafbestimmung gegen „unbefugte Bildaufnahmen" des Intimbereichs. Damit wird das sogenannte „Upskirting" verboten und mit bis zu sechs Monaten Haft bestraft (bzw. ein Jahr, wenn die Bilder veröffentlicht werden). Dies erfasst etwa auch heimliche Bildaufnahmen auf der Toilette oder in der Umkleidekabine, nicht aber Aufnahmen in Badebekleidung im öffentlichen Raum.
Verhetzung und Cybermobbing: Gegenüber der bestehenden Rechtslage nachgeschärft wird die „Verhetzung": Derzeit ist nur die Hetze gegen ganze Personengruppen strafbar. Künftig wird auch bestraft, wer gegen Einzelpersonen hetzt, weil sie einer gewissen Religionsgemeinschaft oder Ethnie angehört oder eine Behinderung hat (dies konnte bisher nur als Beleidigung geahndet werden). Der Strafrahmen bleibt mit bis zu zwei Jahren Haft unverändert.
Verschärft wird auch das „Cybermobbing", das künftig schon ab dem ersten Posting (und nicht nur, wenn es „fortgesetzt" erfolgt) strafbar sein kann.