Corona-Hilfen

Von der Leyen: Ungarn und Polen sollen lieber klagen statt blockieren

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
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Brüssel – EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Polen und Ungarn zur Aufgabe der Blockade der milliardenschweren Corona-Konjunkturhilfen und des langfristigen EU-Haushalts aufgefordert. Im Zweifelsfall sollten die Länder lieber vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ziehen und dort den von ihnen kritisierten Rechtsstaatsmechanismus auf Herz und Nieren prüfen lassen, sagte sie am Mittwoch im Europäischen Parlament. Polen lehnte den Vorschlag mit scharfen Worten ab.

Der EuGH sei der Ort, an dem man üblicherweise Meinungsverschiedenheiten über Rechtstexte austrage, meinte von der Leyen. Der polnische Justizminister Zbigniew Ziobro widersprach ihr. Die EU-Verträge würden klar regeln, dass der EuGH für diesen Fall keine Kompetenz habe, sagte er am Mittwoch in Warschau. Der Vorschlag der EU-Kommissionspräsidentin sei daher "demagogisch". Er habe den Eindruck, von der Leyen handle in "böser Absicht".

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Polen und Ungarn hatten am Montag vergangener Woche aus Protest gegen ein neues Verfahren zur Ahndung von Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit mit einem Veto verhindert, dass der politische Entscheidungsprozess für das EU-Finanzpaket wie geplant fortgesetzt werden kann. Betroffen ist neben den geplanten Corona-Wiederaufbauhilfen im Umfang von bis zu 750 Milliarden Euro auch der langfristige EU-Haushalt. Er umfasst für die nächsten sieben Jahre Mittel in Höhe von knapp 1,1 Billionen Euro und finanziert zum Beispiel Zuschüsse für Bildungs- und Forschungsprogramme.

Hilfen vor allem für Länder wie Italien und Spanien wichtig

Die Corona-Konjunkturhilfen sind vor allem für Länder wie Italien und Spanien sehr wichtig. Mit Blick darauf brachte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban die Idee ins Spiel, den neuen Rechtsstaatsmechanismus erst später in Gang zu setzen. "Die in Not geratenen Länder wollen schnell Geld – geben wir das Geld", sagte der rechtsnationale Politiker der Wochenzeitung Die Zeit.

Andere Länder würden Rechtsstaatlichkeitsregeln wollen, worüber sich diskutieren ließe, fuhr er fort. "Die erste Sache müssen wir sofort machen, die zweite Sache ist weniger eilig." Die Regelung der Rechtsstaatlichkeit könne "einige Monate warten".

Zugleich bemühte sich Orban, die Wirksamkeit seines Vetos gegen die Budgetbeschlüsse herunterzuspielen. Den Rechtsstaatsmechanismus bezeichnete er als "schleichende" Änderung der EU-Verträge. Wenn das gegenwärtige EU-Vorsitzland Deutschland ihn unbedingt wolle, werde er aber kommen. "Meine kleine Handgranate reicht dafür nicht", ihn zu verhindern, meinte Orban unter Bezug auf das ungarische Veto. Orban trifft am Donnerstag in Budapest auf den polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki, um die Verhandlungspositionen zu koordinieren.

Hahn glaubt an Einigung "im letzten Moment"

EU-Budgetkommissar Johannes Hahn zeigte sich trotz des Streites zuversichtlich, dass nach EU-Tradition "im letzten Moment" eine Einigung erzielt werden kann. Hahn deutete bei einer Konferenz des Forschungsnetzwerks EconPol zwar einen Kompromiss, aber keine Änderungen an der bisher beschlossenen Vereinbarung zwischen EU-Ländern und EU-Parlament an. Willkür werde durch ein objektives Verfahren bei der Beurteilung von möglichen Verstößen ausgeschlossen.

Der EU-Abgeordnete Othmar Karas sagte am Mittwoch in einem Online-Pressegespräch vor Journalisten, die "Mini-Trumps" in Polen und Ungarn dürften die Investitionen nicht verhindern. Der Rat der EU-Mitgliedsstaaten müsse "Erpressungsversuchen" eine klare Absage erteilen. Dies klinge fordernd, sei aber "einfach" - man müsse nur umsetzen, was bereits beschlossen sei.

Laut EU-Kommissar Hahn könnte bei der Plenartagung des EU-Parlaments in der Woche vom 14. Dezember der Wiederaufbauplan angenommen werden und somit im Jänner in Kraft treten. Wenn die EU-Länder die neuen Eigenmittel für die EU rasch ratifizierten, könnte die Aufnahme der Gelder für den Aufbaufonds auf dem Kapitalmarkt Ende des zweiten Quartals 2021 beginnen. Mit den EU-Geldern sollten nicht nur Lücken gestopft oder nationale Mittel ersetzt werden. Ziel sei es, Investitionen zu schaffen, so Hahn. (APA/dpa)

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