Brexit-Drama

Verlängerung der Gespräche: Frische Hoffnung für Brexit-Handelspakt

EU-Kommissionschefin von der Leyen und Großbritanniens Premierminister Johnson seien beide der Ansicht, dass es verantwortungsvoll sei, noch eine letzte Anstrengung zu unternehmen.
© AFP/Hoslet

Eigentlich hätte am Sonntag bereits eine Entscheidung getroffen werden sollen. Doch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und der britische Premierminister Boris Johnson sahen offenbar doch noch eine Chance auf einen Deal.

Brüssel, London – Nach der Verlängerung für die Gespräche über einen Brexit-Handelspakt wachsen die Hoffnungen, dass es doch noch zu einem Durchbruch kommen könnte. Irlands Außenminister Simon Coveney sagte dem irischen Rundfunksender RTÉ am Sonntag, die Unterhändler seien äußerst schmallippig, was die Details der Gespräche angehe. „Das ist ein Zeichen dafür, dass ernsthafte Diskussionen am Laufen sind und keine der beiden Seiten bricht das Vertrauen. Das sehe ich als gutes Zeichen“, so der Ire.

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Der irische Premierminister sagte ebenso, er sei zuversichtlich, dass die Verhandler in den kommenden Tagen doch noch einen Handelspakt erzielen. Es gebe aber noch bedeutende Hürden: „Ich bin hoffnungsvoll, aber ich möchte die äußerst bedeutsamen Herausforderungen hervorheben (...)", sagte Martin zu RTÉ. Diese beträfen die Wettbewerbsregeln und die Fischerei: „Das sind bedeutend schwierige Fragen."

Brexit-Übergangsphase endet am 31. Dezember

Eine neue Frist wurde zunächst nicht genannt. Ursprünglich hatte am Sonntag die nun endgültige Entscheidung darüber fallen sollen, ob die Verhandlungen über einen Handelspakt abgebrochen werden oder doch noch ein Deal zustande kommt. Doch nach einem kurzen Telefonat zwischen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem britischen Premierminister Boris Johnson verkündeten beide Seiten, dass die Gespräche weitergehen sollen. Konkrete Fortschritte wurden jedoch nicht benannt.

Trotz der Erschöpfung nach fast einjähriger Verhandlung und mehrfach gerissener Fristen seien beide der Ansicht, dass es verantwortungsvoll sei, noch eine letzte Anstrengung zu unternehmen, hieß es in der gemeinsamen Mitteilung. Man habe die Unterhändler beauftragt, die Verhandlungen fortzusetzen.

Sollte bis spätestens zum 31. Dezember kein Abkommen geschlossen werden, würden Zölle und andere Handelshemmnisse den Handel zwischen Großbritannien und der EU bedeutend erschweren. Auch in anderen Bereichen dürfte es zu schweren Verwerfungen kommen. Dann läuft die Übergangsphase aus, während der trotz des bereits erfolgten Austritts der Briten bisher weitgehend alles beim Alten blieb.

EU-Chefverhandler Barnier: Einigung ist noch möglich

Noch Chancen auf eine Einigung über einen Handelspakt sieht EU-Chefunterhändler Michel Barnier. „Wir werden alles geben für diese Vereinbarung, (...) die noch möglich ist", sagte Barnier am Montag vor Beratungen zum Stand der Verhandlungen in Brüssel. Aus Diplomatenkreisen verlautete dort nach dem Briefing, dass Barnier sich „zurückhaltend" zur Aussicht auf eine Einigung gezeigt habe.

Ein hochrangiger EU-Diplomat beschrieb Barniers Einschätzung des Verhandlungsstands so: „Der Patient ist noch am Leben (...) aber die Kurzwahl des Bestatters (sollte man) behalten."

Barnier sagte, er strebe eine „gute und ausgeglichene Vereinbarung" an. Die Zeit drängt: Am 31. Dezember endet die Übergangsphase, in der sich nach dem formal schon vollzogenen EU-Ausstieg in den Beziehungen zwischen Großbritannien und der Gemeinschaft kaum etwas geändert hat. Wenn die Briten danach keine EU-Regeln mehr anwenden müssen und bis dahin kein neues Abkommen ausgehandelt ist, drohen durch Zölle und andere Handelshindernisse Verwerfungen der Wirtschaft. Streitpunkte bei den seit Monaten laufenden Verhandlungen waren zuletzt noch vor allem Fischereirechte und Regeln für einen fairen Wettbewerb. Barnier bestätigte am Montag, dass es hier weiter hakt. Aus den Brüsseler Diplomatenkreisen verlautete weiter, dass sich die Verhandlungspartner bei den Themen Fischerei und Staatsbeihilfen eher noch weiter auseinander bewegt hätten.

Johnson sprach von „weiterhin großen Differenzen"

Der britische Premierminister Boris Johnson hatte unmittelbar nach der gemeinsamen Erklärung mit von der Leyen, die Gespräche über die selbst gesetzte Frist am Sonntag hinaus fortzusetzen, von weiterhin großen Differenzen in Kernfragen gesprochen. Der britische Wirtschaftsminister Alok Sharma bestätigte dies am Montag und wiederholte auch Johnsons Devise, dass Großbritannien nicht die Verhandlungen abbrechen werde.

Der Streit um die Fischereirechte betrifft vor allem Frankreich. Doch Finanzminister Bruno Le Maire zeigte sich am Montag gelassen angesichts eines drohenden harten Ausstiegs Großbritanniens aus der EU. Die Briten hätten am meisten zu verlieren, sagte Le Maire im französischen Rundfunk. Der EU-Ausstieg sei "politische, wirtschaftliche und historische Torheit". Die Auswirkungen des Brexit auf die französische Wirtschaft werde sich 2021 nur auf 0,1 Prozent des französischen Bruttonationalprodukts belaufen. Die Brexit-Befürworter in Großbritannien setzen freilich darauf, dass das Land unabhängig von Entscheidungen aus Brüssel wirtschaftlich besser fährt.

Der irische Premierminister sagte in Dublin, er sei zuversichtlich, dass die Verhandler in den kommenden Tagen doch noch einen Handelspakt erzielen. Es gebe aber noch bedeutende Hürden: „Ich bin hoffnungsvoll, aber ich möchte die äußerst bedeutsamen Herausforderungen hervorheben (...)", sagte Martin dem Sender RTÉ. Diese beträfen die Wettbewerbsregeln und die Fischerei: „Das sind bedeutend schwierige Fragen." Die Brexit-Übergangsphase ende zwar erst am Silvesterabend, aber beide Seiten seien davon geleitet, dass es schon in den nächsten paar Tagen Verhandlungsergebnisse brauche. (dpa/APA/Reuters/TT.com)