Corona-Krise

Epidemiologe kritisiert mangelnden Schutz von Risikogruppen

Für Pflegeheime gelten strenge Corona-Vorschriften. Allerdings kritisiert Epidemiologe Gartlehner, dass Bewohner trotzdem nicht ausreichend geschützt sind.
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Epidemiologe Gerald Gartlehner schlägt vor, Besucher und Bewohner von Alters- und Pflegeheimen in Österreich mit Hilfe des Bundesheeres noch gezielter und regelmäßiger zu testen.

Krems – Österreich schaffe es zur Zeit nicht, vor allem die Covid-19-Risikogruppen in den Alters- und Pflegeheimen vor Infektionen zu schützen, kritisiert der Epidemiologe Gerald Gartlehner. Im Gespräch mit der APA schlägt er vor, mit Unterstützung des Bundesheers Besucher und Mitarbeiter solcher Einrichtungen noch gezielter und regelmäßiger zu testen. Angesichts des gerade erst beendeten Lockdowns seien die Fallzahlen insgesamt momentan "besorgniserregend hoch".

Noch dazu werde das vorweihnachtliche (Einkaufs)-Verhalten insgesamt zu vielen weiteren Neuinfektionen führen. Gleiches gelte für die relativ offene Handhabe der Kontakteinschränkungen hierzulande über die anstehenden Feiertage. "Die momentanen Zahlen sind, finde ich, noch immer eindeutig zu hoch", sagte der Experte für Evidenzbasierte Medizin von der Donau-Universität Krems. Der Einfluss der zusätzlich durch die Massentests gefundenen Infizierten – einem Konstrukt, dem der Epidemiologe kritisch gegenübersteht –, sei mit nur rund 4000 hier insgesamt eher gering.

"Einmaliger Test am Ende des Lockdowns macht keinen Sinn"

Die Sorge vor relativ vielen falsch positiven Testungen, die Gartlehner und Kollegen im Vorfeld hegten, habe sich nicht in größerem Ausmaß materialisiert. Die eingesetzten Tests seien glücklicherweise "eindeutig besser als befürchtet" gewesen. "Trotzdem macht ein einmaliger Massentest am Ende eines Lockdowns keinen Sinn", so der Epidemiologe.

Zielführender als Massentestungen sieht der Experte gezielte Testungen in sensiblen Bereichen wie Alten- und Pflegeheimen.
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Gleichzeitig war die Teilnahmebereitschaft in Österreich nicht übermäßig groß, der finanzielle- und Testressourcen-Aufwand aber umso höher. Die derart durchgeführten Massentest passen für ihn "in keine sinnvolle Strategie". Über eine solche diskutiere man zuletzt auch verstärkt in der beratenden Kommission zur Corona-Ampelschaltung, der Gartlehner angehört. Der Wissenschafter wünscht sich hier vor allem einen gezielteren, koordinierteren Einsatz im Pflegebereich oder bei Rettungsorganisationen.

Eine mögliche Wiederholung der landesweiten Maßnahme im Jänner sieht er weiter dementsprechend skeptisch: "Wenn sich die Testungen mehr auf Risikopopulationen konzentrieren, könnte das Ganze aber schon Sinn machen. Es muss aber mehr als eine einmalige Aktion sein." Angesichts der aktuell hohen Infektionsraten bei Über-85-Jährigen verstehe er etwa nicht "warum das Bundesheer jetzt nicht in Pflegeheimen eingesetzt wird und dort wirklich alle Personen bei Dienstantritt und die Besucher testet". In jedem Pandemieplan stünden die vulnerablen Gruppen ganz oben, wenn die Eindämmung nicht mehr gelingt – "und die gelingt uns ja ganz offensichtlich nicht". Hier fehle eine Gesamtstrategie: "Der Schutz der vulnerablen Personen erfolgt so wie es jetzt gemacht wurde sicher nicht."

Verwunderung über wenig strenge Vorgaben zu Zusammenkünften

Ein Weg aus der Rotfärbung der österreichischen Corona-Ampel zeichnet sich kaum ab.
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Verwundert zeigte sich Gartlehner bereits in den vergangenen Wochen über die relativ wenig rigiden Vorgaben zu Zusammenkünften von bis zu zehn Personen aus verschiedenen Haushalten zu den Weihnachtsfeiertagen. Gartlehner: "Ich halte das nach wie vor für gefährlich. Es wird uns, glaube ich, dann im Jänner auf den Kopf fallen." Konsistenter wäre gewesen, wie etwa in Deutschland Weihnachten nur in sehr kleinem Kreis zu verbringen.

Ein Weg aus der flächendeckenden Rotfärbung der österreichischen Corona-Ampel zeichne sich momentan jedenfalls kaum ab. Zwar sehe man in einzelnen Bezirken deutliche Rückgänge, um eine regionale Rückstufung vorzunehmen, brauche es aber ein markantes kontinuierliches Absinken über mehrere Wochen. (APA)