Corona-Krise

Wifo: Dritter Lockdown trifft Österreichs Wirtschaft erneut stark

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Das Bruttoinlandsprodukt sackt heuer laut Experten um 7,5 Prozent ab. Mit einem weiteren Lockdown ist 2021/22 wohl nur ein Plus von 2,5 Prozent möglich. Auch Arbeitslosenrate und der Budgetabgang klettern auf rund 10 Prozent.

Wien – Der sich abzeichnende dritte Lockdown nach Weihnachten wird Österreichs Wirtschaft erneut stark treffen. Das Wifo hat für die neue Konjunkturprognose von Freitag bereits ein solches Szenario gerechnet: Demnach würde auch im ersten Quartal 2021 die Wirtschaftsleistung sinken und im Gesamtjahr nur ein BIP-Plus von 2,5 statt 4,5 Prozent möglich sein. Tangiert wäre vor allem der Tourismus, wohl mindestens bis Februar, hieß es seitens des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo).

Im Szenario "Dritter Lockdown" nimmt das Wifo ein vollständiges Herunterfahren für vier Wochen an – ab Ende Jänner 2021 und danach einen teilweisen Lockdown bis Ende März mit weiter geschlossenen Gaststätten und Beherbergungsbetrieben. Nun dürfte aber gleich nach Weihnachten bis 18. Jänner heruntergefahren werden, offiziell wird die Politik das am Abend verkünden.

"Es sieht so aus, als ob unser Lockdown-3-Szenario jetzt Realität wird. Ich rechne damit, dass dieses Szenario hält", so Wifo-Chef Christoph Badelt. "Die Wahrscheinlichkeit, dass wir es ohne dritten Lockdown schaffen, nimmt von Stunde zu Stunde ab", meinte der beim Wifo für die Prognose verantwortliche Experte Stefan Schiman in einem Onlinepressegespräch. Die Auswirkungen würden jedoch schwächer sein als im Frühjahr, wenn jetzt kürzer geschlossen sei und die Industrie ja weiterproduziere.

Im ersten Halbjahr 2021 werde das BIP weiter absinken und der Zuwachs im Gesamtjahr nur 2,5 Prozent betragen, das Tempo der Expansion dann aber 2022 auf 5,1 Prozent zulegen. Die Alternativvariante habe man gerechnet, weil "wir dachten es liegt in der Luft, dass es noch einen dritten Lockdown geben wird", so Badelt im Radio. Ökonomisch gesehen sei es unerheblich, ob der Lockdown nun etwas früher oder später komme. Ob es ab Mitte 2021 keiner wirtschaftlichen Einschränkungen mehr bedürfe, könne er nicht beantworten, das sei "eine epidemiologische Aussage". Die Frage, wie lang man sich die Krise leisten könne, stelle sich nicht: "Solange wir nur so die Zahl der Krankheiten herunterbringen, müssen wir die ökonomischen Kosten tragen."

Arbeitslosenrate dürfte 2021 über 9 Prozent bleiben

Beim Institut für Höhere Studien (IHS) würde der dritte Lockdown nur eine leichte Anpassung der Konjunkturprognose für kommendes Jahr erfordern, keine massive, sagte IHS-Chef Martin Kocher vor Journalisten. Die erneute Infektionswelle bremse den Aufschwung, die Pandemie sei zu einer gewissen Wellenbewegung geworden. Deshalb habe man auch in der Vergangenheit dazu aufgerufen, die Infektionszahlen gering zu halten – was auch Kritik hervorgerufen habe, weil das Wirtschaftsexperten gesagt haben.

Für heuer erwarten Wifo und IHS 7,3 bzw. 7,5 Prozent Einbruch der Wirtschaftsleistung, für 2021 dann in ihren Grundannahmen 4,5 bzw. 3,1 Prozent Anstieg, wobei das IHS für 2021 optimistischer ist als das Wifo. Fürs übernächste Jahr, 2022, sind Wifo und IHS verhalten optimistisch, das BIP-Plus soll dann in den Basisannahmen 3,5 bzw. 3,8 Prozent betragen.

Die Arbeitslosenrate, die 2019 nach nationaler Rechnung 7,4 Prozent betrug, dürfte heuer nach Einschätzung beider Institute auf 9,9 Prozent klettern und 2021 mit 9,3 (Wifo) bzw. 9,7 (IHS) Prozent sehr hoch bleiben. Nach 0,7 Prozent Budgetüberschuss gemessen am BIP im Vorjahr dürften heuer 10,1 bzw. 10,7 Prozent Budgetabgang ins Haus stehen, 2021 dürfte das Minus 5,5 bzw. 6,4 Prozent betragen, übernächstes Jahr 3,0 Prozent, sind sich die Fachleute momentan einig

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Zweiter Lockdown bremste weniger als erster

Die Bremswirkung durch den seit November verhängten zweiten Lockdown ist aus Sicht des IHS merklich geringer als im Frühjahr. Ende März bis Anfang Mai lagen die wöchentlichen Werte der Wirtschaftsleistung um 20 bis 25 Prozent unter den Vorjahresniveaus, in der letzten Novemberwoche betrug die BIP-Lücke laut Nationalbank (OeNB) jedoch "nur" 13 Prozent.

Insbesondere der Wintertourismus werde wegen der anhaltenden Reisewarnungen empfindlich eingeschränkt bzw. falle ganz aus, so das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Erst in der wärmeren Jahreszeit und mit der Durchimpfung der Bevölkerung könnten sich die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aktivitäten wieder normalisieren. Durch einen neuerlichen Lockdown im ersten Quartal 2021 würde ein konjunktureller Rebound erst im zweiten Quartal einsetzen, ansonsten wäre eine Erholung aus dem aktuellen, bisherigen Lockdown schon im ersten Vierteljahr möglich.

"Im Jahresverlauf 2021 dürften zuerst die steigenden Außentemperaturen und spätestens in der zweiten Jahreshälfte auch die Durchimpfung der Bevölkerung wieder mehr gesellschaftliche und damit wirtschaftliche Aktivitäten zulassen, die Rückkehr zu einem normalen Sozialverhalten ermöglichen und damit die Konjunkturerholung stützen", hofft das Wifo.

Auch das IHS geht davon aus, dass mit der Impfung breiter Gesellschaftsschichten die Gesundheitskrise ab Ende des Sommers überwunden wird; danach sollte die Wirtschaft auf einen moderaten Wachstumspfad zurückkehren, heißt es.

Auch die internationale Wirtschaft wird durch Corona stark beeinträchtigt. Beim Wifo geht man von 4,8 und 3,1 Prozent BIP-Plus im Euroraum 2021/22 aus, nach 7,5 Prozent Rückgang heuer - die Werte für die EU-27 lauten +4,4 und +3,0 Prozent nach -6,9 Prozent heuer. Deutschland dürfte heuer nur 5,1 Prozent schrumpfen, dafür 2021/22 aber auch nur um 3,4 bzw. 2,3 Prozent zulegen. China dürfte heuer 1,8 Prozent wachsen, danach um 7,9 sowie 5,0 Prozent, die USA um 3,1 und 2,2 Prozent nach heuer -3,9 Prozent. (APA/TT.com)