Promis demonstrieren für Moria-Hilfe, Kogler würde 100 Familien aufnehmen
Vertreter aus Kultur, Sport und Politik appellierten am Dienstag an die Regierung zur Aufnahme von Flüchtlingen aus griechischen Lagern. Ex-Fußballer Janko meinte etwa: „Zeit, dass gehandelt wird“. Künstler Andre Heller sprach von einem „moralischen Desaster“. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) erklärte, die Grünen würden versuchen, die ÖVP zu überzeugen.
Wien – Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler plädiert für die Aufnahme von 100 Flüchtlingsfamilien aus Lesbos. Gegenüber krone.tv sagte er am Dienstag, dass es hier längst nicht mehr nur um Migrations- oder Flüchtlingspolitik, sondern um eine humanitäre Notlage handle. "Es geht darum, Erste Hilfe zu leisten, da kann man nicht einfach wegschauen", sagte er: "Weil was auf Lesbos passiert, ist einfach nicht hinnehmbar."
Es würde Österreich gut anstehen, diese Familien aufzunehmen, und zwar in Übereinstimmung mit anderen europäischen Ländern: "Da fällt der türkisen Hälfte kein Zacken aus der Krone." Die Grünen hätten hier immer klare Haltung gezeigt und auch etwas dafür getan.
MSF: "Hilfe vor Ort" lenkt von tatsächlichen Bedürfnissen ab
Es ist auch kein Zufall, dass sich jetzt viele kirchliche Organisationen und politische Entscheidungsträger in der ÖVP zu Wort meldeten. "Also, wir kämpfen darum. Wir haben die Regierungskolleginnen und Regierungskollegen noch nicht überzeugt, das ist ganz offenkundig, aber deshalb geben wir nicht auf", so Kogler.
Nach der Ankündigung der Bundesregierung über die Errichtung einer Kinderbetreuungseinrichtung auf Lesbos übte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) scharfe Kritik. Die "neuerliche Ankündigung von Hilfe vor Ort" lenke von den tatsächlichen Bedürfnissen und Notwendigkeiten ab, sagte Laura Leyser, Geschäftsführerin Ärzte ohne Grenzen Österreich, am Dienstag in einer Aussendung. Das Gebot der Stunde sei vielmehr eine rasche Evakuierung der Camps.
Prominente versammelten sich zum Protest
Die verzweifelte Lage in den griechischen Flüchtlingslagern ist ein Thema, das nach dem Brand von Moria auf Lesbos vor gut 100 Tagen alsbald wieder in den Hintergrund getreten ist. Aus diesem Grund versammelten sich am Dienstag Künstler, Sportler sowie Vertreter von NEOS und SPÖ am Ballhausplatz, um in emotionalen Appellen von der türkis-grünen Bundesregierung unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Aufnahme von Flüchtlingen zu fordern. Das Motto: „Retten statt Reden“.
„Wir stehen hier für Humanitas“, postulierte Burgschauspieler Cornelius Obonya im Nieselregen vor dem Kanzleramt: „Es geht darum, dass wir noch in den Spiegel und unseren Kindern ins Gesicht sehen können.“ Auch der einstige Fußball-Nationalspieler Marc Janko forderte, nun endlich zur Aktion zu schreiten: „Wir haben lange genug zugesehen. [...] Es wird Zeit, dass gehandelt wird.“
Vor allem die ÖVP wurde von den Beteiligten ins Visier der Kritik genommen. Liedermacher Ernst Molden hob zum Abgesang auf die christlich-soziale Partei an: „Das Soziale geht mir schon Jahrzehnte ab, aber das Christliche habe ich ihnen noch geglaubt.“ Und Gesamtkünstler Andre Heller brach über die Verweigerung der ÖVP und der Tatenlosigkeit der Grünen den Stab: „Das ist ein moralisches Desaster und ein geistiger Offenbarungseid.
Auch Autorin Julya Rabinowich verurteilte in einem „Schlaflied“ den Zynismus der Regierung: „Wer ein Kind rettet, hat die anderen im Stich gelassen.“ Und deshalb helfe man keinem. Ihr Berufskollege Doron Rabinovici erinnerte in diesem Zusammenhang an die Fluchtgeschichte seines eigenen Vaters in den 1940ern: „Dieser Bundeskanzler und diese Bundesregierung hätte meinen Vater nicht hereingelassen.“
„Uferloser Zynismus“
Auch Kabarettist Thomas Maurer geißelte den „uferlosen Zynismus“ von Türkis-Grün, während Florian Scheuba das Argument kritisierte, dass man durch Hilfe ungewünschte „Pull-Faktoren“ erzeuge. Letztlich seien eben jene Faktoren doch alles, was Österreich lebenswert und menschlich mache.
Percussionist Martin Grubinger unterstrich indes, dass es in der Frage der Hilfe für Betroffene nicht um politische Zugehörigkeit gehe, sondern schlicht um den menschlichen Anstand: „Am Ende fehlt dem Bundeskanzler und seiner Regierung der Anstand. [...] Und irgendwann wird er sich dafür auch verantworten müssen.“
Initiiert wurde der Protest vom Verein Courage sowie dem NEOS-Nationalratsabgeordneten Sepp Schellhorn, der neben Parteikollegen wie Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr und der Abgeordneten Stephanie Krisper erschienen war und die Hilflosigkeit ob der Verweigerung, Flüchtlingskinder aufzunehmen, beklagte: „Es macht mich wahnsinnig, dass hier nicht reagiert wird.“ Österreich habe genug Platz: „Beten alleine hilft nicht.“
„Ihre Politik des Hände-faltens, Goschen-haltens geht nicht mehr“
„Herr Bundeskanzler: Ihre Politik des Hände-faltens, Goschen-haltens geht nicht mehr“, pflichtete auch der einstige ÖVP-Nationalratsabgeordnete Ferry Maier bei, während Schellhorns Parteikollege Helmut Brandstätter aus der Bibel zitierte, um die ÖVP-Nationalratsabgeordneten bei der nächsten Abstimmung zu mehr Mut aufzufordern: „Fürchtet Euch nicht.“ Und schließlich appellierte Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) an die Bundesregierung, zumindest Wien die Aufnahme von Flüchtlingen zu erlauben: „Die Stadt ist bereit, die Türen weit aufzumachen.“
Zum Abschluss der verbalen Appelle signierten die Beteiligten ein Zelt mit ihren Wünschen und Forderungen. Das so entstandene Werk soll nun versteigert und der Erlös Hilfsorganisationen in den griechischen Lagern gespendet werden.
Fischler für Aufnahme, Van Staa nicht
Bei den Tiroler ÖVP-Granden gehen die Meinungen, was die Aufnahme von Flüchtlingen aus den griechischen Lagern betrifft, indes auseinander. "Keine Frage, den Menschen auf Lesbos und Moria muss geholfen werden – und zwar jetzt, sofort", sagte Ex-EU-Kommissar Franz Fischler. Ex-ÖVP-Landeshauptmann Herwig van Staa sprach sich hingegen für eine umfassende, großzügige europäische Lösung aus und zeigte gegenüber der APA "Verständnis für die Bundesregierung". (TT.com, APA)