Neue „Defi“-Offensive soll in Innsbruck Leben retten
Stadt und Rotes Kreuz wollen bis 2023 ein flächendeckendes Netzwerk an Defibrillatoren-Standorten aufbauen – und Schulungen forcieren.
Von Michael Domanig
Innsbruck – Bei einem plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand zählt jede Sekunde. In Innsbruck werde der Rettungsdienst jährlich zu rund 110 Reanimationen gerufen und sei in 85 Prozent der Fälle binnen acht Minuten vor Ort, erklärt Michael Baubin, Bereichsoberarzt Notfallmedizin an der Uniklinik für Anästhesie und Intensivmedizin. Ein guter Wert – doch das Gehirn beginne in solchen medizinischen Notfällen schon nach drei Minuten abzusterben. Daher komme den Ersthelfern eine zentrale Bedeutung zu – und hier neben der Herzdruckmassage vor allem dem Einsatz eines Defibrillators. Erfolge die Defibrillation – kurze, starke Stromstöße, die die lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen beenden und die normale Herzaktivität wiederherstellen sollen – binnen drei bis fünf Minuten, bestehe eine Überlebenschance von 50 bis 70 Prozent. Doch nur in knapp 2 Prozent der Fälle würden Ersthelfer öffentlich zugängliche „Defis“ auch einsetzen, sagt Baubin. Er ist aber überzeugt: „Wenn man geschult ist, sinkt die Hemmschwelle.“
Genau hier setzt nun die Stadt Innsbruck gemeinsam mit dem Roten Kreuz und der Klinik Innsbruck an: Bis 2023, so das ehrgeizige Ziel, soll Innsbruck zur „herzsichersten Stadt im Alpenraum“ werden. Einerseits soll dafür ein möglichst flächendeckendes Netzwerk an rund um die Uhr zugänglichen Defibrillatoren in den Stadtteilen aufgebaut werden, wie Gesundheitsstadtrat Vize-BM Hannes Anzengruber (ÖVP) erklärt. 60 Standorte sollen bis 2023 zur Verfügung stehen – und laufend weitere dazukommen. Rund 15 bis 20 Stück will die Stadt jährlich mitfinanzieren. In einem ersten Schritt wurden bereits alle Feuerwachen im Stadtgebiet sowie eine Streife der Mobilen Überwachungsgruppe (MÜG) mit Defis ausgerüstet.
Anzengruber berichtete aus eigener Erfahrung davon, wie wichtig Defibrillatoren im Ernstfall sein können: Als langjähriger Almwirt auf der Arzler Alm habe er sich auch um einen Defi vor Ort bemüht. Und tatsächlich habe dieser dann beim einem Notfall in einem nahegelegenen Waldstück lebensrettende Dienste geleistet. Sein Vater habe den Helfern vor Ort nach telefonischer Verständigung den Defibrillator mit dem Auto gebracht – und die Wiederbelebung des Patienten, eines Nachbarn, verlief erfolgreich.
Schulungsoffensive für die Bevölkerung geplant
Zu plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillständen komme es vor allem im privaten Bereich, berichtet Armin Krösbacher, Obmann-Stellvertreter und Schulungsarzt beim Roten Kreuz Innsbruck, und damit naturgemäß vor allem in den Wohngebieten – wo zugleich eine geringere Dichte an öffentlichen Gebäuden und somit auch frei zugänglichen Defis herrscht. Daher soll das Defi-Netzwerk in den Stadtteilen eben sukzessive ausgebaut werden.
Die im Rahmen des Projekts neu angekauften Geräte sind zweisprachig, die Daten können ausgelesen werden und werden der Kardiologie der Innsbrucker Uniklinik zur Verfügung gestellt. So sollen wichtige Erkenntnisse für die Forschung gewonnen werden.
Doch weil „das schönste Gerät nichts bringt, wenn es keiner verwendet“, wie es Krösbacher formuliert, soll – sobald Corona es zulässt – auch eine Schulungsoffensive (kostenlose, praktische Reanimationsschulungen) für die Bevölkerung starten, zusammen mit Samariterbund, Johannitern, Maltesern, Berg- und Wasserrettung. Man wolle ein Bewusstsein dafür schaffen, dass die Defis „einfach und sicher zu verwenden sind“. Im Notfall werden Ersthelfende übrigens auch von der Leitstelle Tirol unterstützt: Die Mitarbeiterinnen geben den Anrufern bei einem Notruf den nächstgelegenen Defibrillator-Standort bekannt und leiten sie telefonisch bei den Wiederbelebungsmaßnahmen an.
Auch die Uniqa-Stiftung, die Tiroler Sparkasse und MPreis unterstützen den Defi-Ausbau im Rahmen des Projekts. Ein besonderer Fokus liege zudem, in Kooperation mit dem Roten Kreuz, auf der Ausstattung von Schulen mit Defibrillatoren, sagt Uniqa-Landesdirektor Manfred Miglar: „Junge Menschen sollen die Scheu vor den Geräten verlieren.“
Auch bei ersten MPreis-Filialen in Innsbruck sollen ab dem Frühjahr Defibrillatoren im Bereich der Außenwände angebracht werden, berichtet Geschäftsführer David Mölk. Die Firma beteilige sich an den Anschaffungskosten, übernehme die Montage und die Stromversorgung.