Innsbrucker Forscher

Starkbeben waren Ursache für riesige Bergstürze am Fernpass und Tschirgant

Die Forscher entnahmen für die Sedimentanalysen bis zu acht Meter lange Bohrkerne aus Piburgersee und Plansee.
© Jasper Moernaut

Sediment-Analysen von Geologen der Uni Innsbruck ergaben, dass prähistorische Erdbeben in Tirol massive Gesteinsabbrüche zur Folge hatten. Die Ergebnisse sollen auch helfen, künftig bessere Prognosen zu erstellen.

Innsbruck – Geologen der Uni Innsbruck haben zehn prähistorische Erdbeben mit einer Magnitude identifiziert, die zum Teil für große Bergstürze in Tirol verantwortlich gewesen sein dürften. Dafür wurde Seeschlamm aus dem Piburgersee und dem Plansee untersucht. Die Forscher kommen zu dem Ergebnis, dass Erdbeben mit einer Stärke von 5,5 bis 6,5 auf der Richterskala Ursache für riesige Felsabbrüche in den Alpen waren.

Ausgangspunkt für die Studie sind die Überreste großer Bergstürze in zahlreichen Alpentälern mit steilen Flanken im Ausmaß mehrerer hundert Millionen Kubikmeter Gestein. „Wie sie entstanden sind, ist oft schwer zu rekonstruieren, da sie vor mehreren Tausend Jahren stattfanden und somit keine historischen Dokumente darüber vorliegen“, erklärt Studien-Hauptautor Patrick Oswald, Doktorand in der Arbeitsgruppe für Sedimentgeologie am Institut für Geologie der Uni Innsbruck. „Interessanterweise traten viele dieser alten Bergstürze auf eher kleinem Raum auf und haben ein ähnliches Alter, bildeten also eine Art Cluster.“

Dieses rätselhafte Muster sorgt in der Fachwelt bereits seit vielen Jahren für zahlreiche Diskussionen rund um mögliche Ursachen. Neben abrupten klimatischen Veränderungen gelten auch Erdbebenerschütterungen als potenzielle Auslöser. Da das „Untersuchungsobjekt“ in Form der kollabierten Felshänge nicht mehr vorhanden ist, entschied das Forscher-Team die Perspektive im umzudrehen – und suchte unter Wasser nach Antworten. In den Sedimentschichten könne man „Deformationsstrukturen finden, die durch vergangene Starkerdbeben ausgelöst wurden“, sagt Michael Strasser, Leiter der Arbeitsgruppe.

Zehn schwere prähistorische Erdbeben

„Interessanterweise traten viele dieser alten Bergstürze auf eher kleinem Raum auf und haben ein ähnliches Alter, bildeten also eine Art Cluster", erklärt der Hauptautor der Studie, Patrick Oswald.
© Jasper Moernaut

Das Hauptaugenmerk legten die Geologen dabei auf die massiven Bergstürze am Tschirgant, am Fernpass und am Eibsee. Dazu entnahmen die Forscher bis zu acht Meter lange Bohrkerne aus Piburgersee und Plansee. Durch den Einsatz modernster Techniken, wie hydroakustische Vermessungen des Seeuntergrunds oder computertomographische Scans der acht Meter langen Sedimentkerne, fanden die Forscher zwei verschiedene Arten von Erdbebenspuren: „Die seismischen Erschütterungen haben die oberflächlichen Sedimente am Boden der Seen verformt und zudem zahlreiche Unterwasser-Schlammlawinen ausgelöst“, so Patrick Oswald.

Durch Radiokarbon-Datierung entdeckten die Forscher zehn prähistorische Erdbeben während der letzten 10.000 Jahre, und fanden zudem auch Spuren des historischen Erdbebens mit Richter-Magnitude 5,3 vom 8. Oktober 1930 in Namlos (Bezirk Reutte). . „Durch eine exakte Auswertung historischer Erdbebenberichte – sofern sie vorhanden sind – und den Vergleich mit den Sedimentabdrücken in den Seen" habe man die prähistorischen Erdbeben auf eine Magnitude nach Richter zwischen 5,5 bis 6,5 geschätzt, erklärt Christa Hammerl, historische Seismologin der ZAMG. „Da die Beben in den Ostalpen nur in wenigen Kilometern Tiefe auftreten, können sie erhebliche Schäden an der Infrastruktur und in der Naturlandschaft verursachen.“

Bessere Prognosen bei seismischen Aktivitäten

Die Ergebnisse der Innsbrucker Geologen zeigen, dass das Auftreten der großen Bergstürze am Tschirgant vor rund 3000 Jahren und am Fernpass vor ca. 4100 Jahren mit besonders starken Erdbeben zusammenfällt. Aus dieser Altersübereinstimmung schließen die Forscher, dass die extremen seismischen Erschütterungen letztlich die Bergstürze auslösten. Die Analysen ergaben außerdem, dass eine enge Abfolge von mindestens fünf schweren Erdbeben den Bergstürzen vor etwa 3000 Jahren vorausging. „Wir vermuten daher, dass seismische Erschütterungen nicht nur Bergstürze selbst auslösen, sondern die Felshänge nach und nach immer instabiler werden lassen“, ergänzt Strasser. „Mit all diesen neuen Informationen möchten wir nun einen Beitrag dazu leisten, künftige Erdbeben- und Bergsturzgefahren in den dicht besiedelten Alpentälern besser abschätzen und prognostizieren zu können. Erdbeben dieser Stärke sind zwar selten, können aber verheerende Folgen haben.“ (TT.com, OTS)

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