Fischler kritisiert Kurz scharf, Anwälte auf den Barrikaden
Der Tiroler Ex-ÖVP-Spitzenpolitiker Franz Fischler hält die Angriffe von Kanzler Kurz auf die Justizbehörden für bedenklich. Massive Kritik am ÖVP-Plan, Zitate aus Ermittlungsakten zu verbieten, äußerten Rechtsanwälte und Journalistengewerkschaft.
Innsbruck, Wien – Der frühere EU-Kommissar und langjährige ÖVP-Spitzenpolitiker Franz Fischler hat scharfe Kritik an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen der Angriffe auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im Zuge der Causa Blümel geübt. „Der Stil ist nicht richtig. Ich finde es nicht richtig, dass er versucht, die Öffentlichkeit gegen die Justiz zu vereinnahmen“, sagte Fischler am Mittwoch.
Wenn sich ein Bundeskanzler derartig äußere, müsse er „auch mit den Konsequenzen leben“: „Die Äußerungen fallen dann auf ihn zurück“. Aufgrund der Angriffe auf die Justiz von einem „neuen Haider“ zu sprechen, halte er zwar für „unfair“, spielte Fischler auf den langjährigen ehemaligen FPÖ-Chef und seine diversen heftigen Kämpfe mit der Justiz an. „Aber ‚wehret den Anfängen‘“, so der frühere EU-Kommissar und Landwirtschaftsminister. In Sachen Unabhängigkeit der Justiz, bestehe schließlich zu Recht eine „große Sensibilität“, betonte der ÖVP-Grande.
Fischler: „Muss nachdenklich stimmen“
Die Vorgangsweise der ÖVP in der Causa sei jedenfalls „nicht angebracht“. Wenn sich jemand wie der Innsbrucker Oberlandesgerichts-Präsident Klaus Schröder in derartiger Vehemenz äußere – dieser hatte die Angriffe der ÖVP gegen die Korruptionsstaatsanwaltschaft am Mittwoch in der Tiroler Tageszeitung scharf kritisiert – dann „muss das nachdenklich stimmen“, so Fischler.
An den Plänen für einen unabhängigen und weisungsfreien Bundesstaatsanwalt fand Fischler hingegen „nichts Negatives“. Eine solchen gebe es schließlich bereits „in vielen Staaten“. Aber neben der absoluten Unabhängigkeit der dafür infrage kommenden Person sei vor allem entscheidend, dass Institution bzw. Struktur so gestaltet werden, dass diese frei von Einflüssen gehalten werden.
Rechtsanwälte und Journalisten besorgt
Rechtsanwälte und Journalistengewerkschaft kritisierten am Mittwoch wie auch die Opposition den ÖVP-Plan, Zitate aus Ermittlungsakten zu verbieten. Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) sprach sich entschieden gegen eine Einschränkung der Medienfreiheit und der Verteidigungsrechte in Österreich aus. Auch auf Journalistenseite sorgt man sich um die Pressefreiheit.
„Die Freiheit der medialen Berichterstattung und die Verteidigungsrechte der Bürger sind ganz wesentliche Elemente unseres demokratischen Rechtsstaates“, unterstrich Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wolff: „Eine Einschränkung dieser Rechte durch Einführung eines Veröffentlichungsverbotes halte ich nicht nur für unnötig, sondern auch für einen bedenklichen Rückschritt in unserer rechtsstaatlichen Entwicklung.“
„Maulkorb würde uns ins 19. Jahrhundert katapultieren“
Die bestehende Regelung habe sich in der Praxis bewährt. „Sie ermöglicht es Beschuldigten, ihre Rechte – insbesondere im Ermittlungsverfahren – effektiv gegenüber den Strafverfolgungsbehörden und der Öffentlichkeit zu verteidigen und zu vertreten und zieht zugleich dort eine rote Linie, wo die Rechte Dritter verletzt würden“, so Wolff, der keinen Änderungsbedarf erkennen kann.
Die Berichterstattung der Medien bewege sich schon jetzt in rechtlichen Bahnen. Jeder, der sich durch mediale Berichterstattung in seinen Rechten verletzt erachte, habe die Möglichkeit, sich dagegen zur Wehr zu setzen, erklärte Wolff: „Einen medialen Maulkorb halte ich für rechtsstaatlich höchst bedenklich und würde uns zurück in das 19. Jahrhundert katapultieren.“
Er erinnerte an die „Lasserschen Artikel“ aus dem Jahr 1862, die ein Verbot der Veröffentlichung aus Gerichtsakten vorsahen und vor 46 Jahren als überholt abgeschafft wurden. Eine Wiedereinführung eines solchen Veröffentlichungsverbotes wäre für Wolff eine „unzeitgemäße und undemokratische Beschränkung der Pressefreiheit“ und daher „entschieden abzulehnen“.
Journalistengewerkschaft: „Inakzeptabler Angriff“
Geharnischte Kritik übte auch die Journalistengewerkschaft. „Journalisten bestrafen zu wollen, wenn sie aus Akten in Ermittlungsverfahren zitieren, stellt einen inakzeptablen Angriff auf die Pressefreiheit und damit unsere Demokratie dar“, kritisiert Bundesvorsitzender Eike-Clemens Kullmann in einer Aussendung.
Vor allem in den vergangenen Jahren habe sich klar und deutlich herauskristallisiert, dass Medien einen unverzichtbaren Beitrag zum Aufzeigen und Bewusstmachen unsauberer politischer Praktiken bis hin zu Korruptions-Verdachtsfällen leisteten. „Mit möglichen Strafen ist die Gefahr enorm hoch, dass eine ernsthafte Debatte über gesellschaftliche Missstände oder Korruptions-Verdachtsfälle künftig extrem erschwert würde. Gerade in einer Zeit, in der zu Recht auch Transparenz von Parteien eingefordert wird, käme es einem fatalen Signal gleich, genau das Gegenteil zu machen – und neue Strafen für Berichterstattung einzuführen“, meinte der Vorsitzende.
Für die Journalistengewerkschaft in der GPA ist nicht zuletzt das Timing derartiger Gesetzespläne brisant. „Will die Regierungspartei ÖVP ausgerechnet dann die Veröffentlichung von Zitaten aus Ermittlungsakten verbieten, wenn gegen den Finanzminister aus ihren Reihen ermittelt wird? Das wäre eine ungeheuerliche Anlassgesetzgebung“, so Kullmann. (TT.com, APA)