Corona-Krise

Geimpfte, Genesene, Getestete: Kurz fordert Grünen Corona-Pass in Europa

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP).
© ROLAND SCHLAGER

Kurz machte seinen Vorschlag am Vorabend des EU-Onlinegipfels publik, bei dem er diesen thematisieren will. "Wir brauchen innerhalb der Europäischen Union die Reisefreiheit wieder zurück."

Wien – Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) setzt sich für einen "Grünen Pass" für Corona-Geimpfte, Getestete und Genesene ein. Es brauche "einen Grünen Pass für jeden, der geimpft ist, oder gerade Corona hatte und dadurch immun ist, oder einen neuen Test gemacht hat", sagte Kurz am Mittwoch in Wien. Ohne europäische Lösung werde man das Projekt "national angehen". Während Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) zurückhaltend reagierte, kam von der FPÖ scharfe Kritik.

Kurz machte seinen Vorschlag am Vorabend des EU-Onlinegipfels publik, bei dem er diesen thematisieren will. "Wir brauchen innerhalb der Europäischen Union die Reisefreiheit wieder zurück", betonte Kurz vor Journalisten. Ein EU-weit geltender Grüner Pass könne "eine gute Basis dafür darstellen, dass wir ordentlich durch den Sommer kommen". Israel habe bereits ein ähnliches System, insofern "erwarte" er sich, "dass wir das auch in Europa umsetzen". Technisch sei es leicht machbar. Es solle eine digitale Lösung sein: jeder solle sich mit dem Handy ausweisen können.

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Kurz betonte, dass er schon mit zahlreichen EU-Amtskollegen sowie auch dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu über diesen Vorschlag gesprochen habe. Angesprochen auf die Vorbehalte einiger EU-Länder, sagte er, er "hoffe, möglichst schnell die Vorbehalte der Staaten aufbrechen zu können". Er strebe eine europäische Lösung an. "Wenn es nicht gelingt, werden wir selbstverständlich dieses Projekt national angehen und mit möglichst vielen Staaten in der Nachbarschaft und darüber hinaus versuchen, einen gemeinsamen Weg zu finden."

Kurz betonte: "Wir wollen alle so schnell wie möglich unser normales Leben wieder zurück. Wir wollen die Freiheit zurück, innerhalb Europas zu reisen - ganz gleich ob geschäftlich oder privat -, und wir wollen vor allem die Möglichkeit, in Kulturveranstaltungen, Gastronomie und Hotellerie hineingehen zu können und das auch genießen zu können". Eine Rückkehr zur Normalität bis zum Sommer sei "absolut realistisch".

Anschober für europäischen Impfpass

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erklärte sich am Mittwochabend auf "Puls24" pro europäischen Impfpass. Die Frage – der Pass als "Türöffner für eine Ungleichbehandlung in der Gesellschaft, so wie es in Israel der Fall ist" –, sei eine "hochpolitische, ethische Frage" und eine "spannende Diskussion", die zu führen sei. Anschober ergänzte, "ob wir das wollen, hängt auch davon ab, wie groß der Anteil der Geimpften tatsächlich ist". Im APA-Interview hatte Anschober zuvor erklärt, eine Entscheidung über Erleichterungen für Geimpfte – wie etwa in Israel – werde in Österreich nicht vor April fallen.

Ähnlich zurückhaltend äußerte sich auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zur Frage nach möglichen Freiheiten für Geimpfte. "Wenn ich jetzt hören, dass vier Prozent der Bevölkerung geimpft sind, (...) wir alle wollen uns impfen lassen. Solange nur vier Prozent die Möglichkeit dazu haben, weil die Organisation so schleppend ist und es die Impfstoffe noch nicht gibt, dann stellt sich die Diskussion nicht", erklärte sie im "Puls24"-Interview. Denn das wäre eine Schlechterstellung jener, die sich zwar impfen wollen, aber es nicht konnten. Außerdem müssten die wissenschaftlichen Daten eindeutig belegen, dass ein Geimpfter das Virus nicht weitergebe.

Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sagte in "Puls 24" man müsse eine "tiefgreifende Diskussion" führen, ob es Einschränkungen für Nicht-Geimpfte geben dürfe, weil es viele ansteckende Krankheiten gebe, bei denen "nie jemand auf die Idee kommen" würde, so etwas zu tun. "Es ist ein echter Tabubruch", sagte Hacker.

Kritik von der FPÖ

Von der oppositionellen FPÖ kam scharfe Kritik für den Vorstoß des Kanzlers. "Testzwang, Impfzwang, Kennzeichnungszwang. ÖVP-Kanzler Kurz kommt aus dem Träumen der Volksüberwachung nicht mehr heraus", teilte die FPÖ-EU-Sprecherin Petra Steger am Mittwochabend in einer Aussendung mit. Als "geradezu grotesk" wertete die Nationalratsabgeordnete die Argumentation von Kurz, dass er so zu einem Maximum an Freiheit gelangen wolle, zumal es sich um eine "Corona-Vollüberwachung" handle.

Der virtuelle EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs wird sich am Donnerstag (ab 15.00 Uhr) um die Koordinierung in der Coronavirus-Pandemie sowie die Impfstoff-Beschaffung drehen. Thema werden dabei zügigere Zulassungsverfahren und ein Ausbau der Produktionskapazitäten über eine stärkere Zusammenarbeit der Hersteller sein. In der Debatte über ein europaweites Impfzertifikat zeigen sich manche Länder zurückhaltend. Deutschland und Frankreich fürchten eine Ungleichbehandlung von Geimpften und Nichtgeimpften, solange nicht alle Bürger geimpft werden können. Andere verweisen darauf, dass noch nicht klar sei, ob eine Impfung auch vor einer Übertragung des Virus schützt. (APA)