Welt-Adipositas-Tag: Übergewicht im Schatten der Corona-Krise
Der Kampf gegen Übergewicht bleibt auf der Strecke, obwohl Adipöse ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Hospitalisierung bei Corona haben. In Österreich steigt die „Adipositas-Pandemie" vor allem bei Kindern.
Innsbruck, Wien – Der World Obesity Day am heutigen Donnerstag steht im Schatten von Corona, der Kampf gegen Übergewicht bleibe vielfach auf der Strecke. Dabei wären adäquate Therapieangebote wichtiger als je zuvor, betonte das Vorsorgeinstitut SIPCAN (Special Institute for Preventive Cardiology And Nutrition). Gerade starkes Übergewicht würde das Risiko für einen schweren Covid-19 Verlauf erhöhen.
Adipöse haben nicht nur ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Hospitalisierung bei Corona, sie benötigen auch eher intensivmedizinische Behandlung und weisen ein erhöhtes Todesrisiko auf. Übergewichtige würden sich auch eher infizieren als Normalgewichtige.
In jeder Schulklasse in Österreich ein bis zwei adipöse Kinder
In Österreich sei die „Adipositas-Pandemie" in vollem Gange: „Gerade bei Kindern ist die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas nach wie vor am Steigen. Mittlerweile geht man davon aus, dass an Österreichs Schulen in jeder zweiten Schulbank ein übergewichtiges Kind und in jeder Schulklasse ein bis zwei adipöse Kinder sitzen. Auch bei den Erwachsenen sind 41 Prozent übergewichtig bzw. adipös", so Friedrich Hoppichler, Vorstand von SIPCAN und ärztlicher Leiter des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Salzburg.
Ernährungsbildung an Schulen gefordert
Vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Familien seien übermäßig von Übergewicht und Adipositas betroffen. Marlies Gruber, Geschäftsführerin des forum. ernährung heute (f.eh), forderte am Montag eine Stärkung der Ernährungs- und Bewegungskompetenz durch eine umfassende Ernährungsbildung plus mehr Sport und Bewegung in Schulen und Kindergärten. Zusätzlich bräuchte es eine entsprechende Unterstützung der Eltern.
Kinder lernen einen gesundheitsförderlichen Lebensstil insbesondere während der Lockdowns vorwiegend zuhause, indem er von den Eltern als Vorbild abgeschaut wird. Verfügen diese über gute Ernährungskenntnisse und bewegen sie sich viel, so ist das in der Regel auch bei den Sprösslingen so, weiß Gruber. Doch vor allem Kinder aus sozial benachteiligten Familien bringen drei- bis viermal häufiger zu viel Gewicht auf die Waage.
Um eine Chancengleichheit zu etablieren, spricht sich das f.eh daher für eine Ernährungsbildung in Schulen aus. „Es geht darum, grundlegende Kenntnisse über die Zusammensetzung und Verarbeitung von Lebensmitteln zu vermitteln, Genuss und bewusstes Essen zu fördern und zu mehr Bewegung zu animieren", so Marlies Gruber. Maßnahmen seien jedenfalls rasch nötig, denn insbesondere durch den Lockdown und Homeschooling sinkt einerseits der Energieverbrauch aufgrund mangelnder Bewegung, andererseits verleitet die aktuelle Situation zu vermehrtem emotionalem Essen. Diese Lebensstilgewohnheiten würden sich auch langfristig zu etablieren, womit das Risiko für Übergewicht und Adipositas in Summe deutlich steigt.
Eine Studie von SIPCAN in Kooperation mit der Adipositas Gesellschaft hat die derzeitige Therapiesituation untersucht. Die meisten Angebote finden in privaten Ärztepraxen (40,8 Prozent) und bei Diätologen (30,9 Prozent) sowie im Rahmen einer ambulanten (24,9 Prozent) und stationären (17,6 Prozent) Behandlung in Krankenhäusern statt. Kritisch zu hinterfragen sei, dass in nur knapp einem Fünftel der Institutionen Hilfesuchende von Bewegungsexperten betreut werden.
Therapien müssen großteils privat bezahlt werden
Laut der Untersuchung geben immer weniger Anbieter an, dass die von ihnen erbrachten Leistungen durch die Krankenkassen oder andere Versicherungsträger mitfinanziert werden (2005: 57 Prozent, aktuell: 38 Prozent). In zwei von drei Fällen muss die Therapie als private Leistung bezahlt werden. „Da auch viele Personen aus den unteren Einkommensschichten an Übergewicht und Adipositas erkranken, ist diese Entwicklung als sehr bedenklich einzustufen", so der Projektleiter der Studie, Manuel Schätzer. (APA)