Intensivmedizin belastet: So haben die Kliniken auf die Pandemie reagiert
Oft wird kritisiert, seit Beginn der Pandemie sei zu wenig getan worden, um für mehr Intensivbetten und mehr Kapazitäten zu sorgen. Der Tiroler Intensivmediziner Walter Hasibeder erklärt, wie die Spitäler auf die Pandemie reagiert haben – und warum volle Intensivstationen auch für Nicht-Covid-Patienten dramatisch sind.
Wien – Die hohe und steigende Zahl von Corona-Patienten, die eine intensivmedizinische Behandlung benötigen, stünde zu Recht im Mittelpunkt. "Wir machen uns aber auch große Sorgen um die zahlreichen Nicht-Covid-19-Patientinnen und -Patienten, die von einer Überlastung von Intensivkapazitäten betroffen sind", so der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), Walter Hasibeder, am Montag.
Ob Akutfälle, wie die Folgen eines schweren Unfalls oder einer schweren Infektion, oder nicht akut lebensnotwendige, aber medizinisch erforderliche Operationen, die verschoben werden müssen: Immer mehr Menschen könnten und werden von der mehr als angespannten Versorgungslage betroffen sein, hieß es in einer Aussendung der ÖGARI.
"Um die Konsequenzen solcher Spitzenbelastungen richtig einzuschätzen muss man sich vor Augen führen, wie Intensivstationen funktionieren", meinte Klaus Markstaller, Past Präsident der ÖGARI. Auch ganz ohne Zusatzbelastungen wie eine Pandemie seien die Kapazitäten zu etwa 85 bis 90 Prozent ausgelastet. "Oder anders gesagt, wir haben einen Puffer von etwa zehn bis 15 Prozent." Geht das Ausmaß der Zusatzbelastung darüber hinaus, würde man sich schrittweise in einen Krisenmodus bewegen. Hasibeder. "So etwas wie freie Intensivbetten gibt es schon zu 'normalen' Zeiten kaum, und schon gar nicht während einer Pandemie."
Intensivressourcen nicht "beliebig vermehrbar"
Man habe von Beginn der Krise an alle erdenklichen Maßnahmen ergriffen, um die bestehenden Intensivressourcen auszuweiten - etwa durch die Umwidmung von Aufwachräumen in Intensivbettenstationen, die Mobilisierung von Personal aus anderen Bereichen, die Erweiterung der technischen Ausstattung oder die Aufrüstung von Normalstationen mit "High Flow"-Sauerstoffsystemen, um Patienten mit moderatem Sauerstoffmangel nicht sofort auf einer Intensivstation aufnehmen zu müssen, meinte Markstaller. "Doch eine solche Ausweitung hat natürlich Grenzen durch die personellen Ressourcen, die nicht beliebig vermehrbar sind. Intensivmedizin und -pflege sind hochspezialisierte Aufgaben, die eine mehrjährige Ausbildung erfordern."
Der Aufbau zusätzlicher Intensivkapazitäten bedeute auch, dass Personal aus anderen Bereichen abgezogen werden muss, vorwiegend Anästhesiepersonal, was zwangsläufig zu einer Reduktion der chirurgischer Eingriffe führe. Dies betrifft auch Eingriffe, die zwar nicht lebensnotwendig sind, aber wegen belastender Beschwerden ehestmöglich durchgeführt werden sollten. Sind alle Erweiterungspotenziale der Intensivstationen erschöpft und hält der hohe Bedarf an, müssten sogenannte Überbelagsbetten geschaffen werden – ohne zusätzliches Personal. Im schlimmsten Fall stehe am Ende die "harte Triage".
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Hohe Infektionszahlen für Lage verantwortlich
"Die sogenannten Kollateralschäden und anderen negativen Auswirkungen überlasteter Intensivstationen auf Patientinnen und Patienten mit und ohne COVID-19 sind keine Folge eines 'falschen' Pandemiemanagements", meint Markstaller. Sie seien einzig und allein Folge zu hoher Infektionszahlen. "Das ist bis zu einem gewissen Grad schicksalshaft, ab einem gewissen Grad aber nachweislich durch unser aller Verhalten beeinflussbar." Jetzt sei nicht der Zeitpunkt für Partikularinteressen oder einen nachlässigen Umgang mit den Distanz-und Hygieneregeln. "Wenn wir jetzt nochmals in einem gemeinsamen Kraftakt die Infektionszahlen senken, auch bis Impfungen ihr Schutzschild entfalten können, schützen wir uns letztlich alle." (APA)