Bischof Glettler schlägt Segnung homosexueller Paare im Familienkreis vor
Das Tiroler Kirchenoberhaupt erläutert seine Vision der Kirche von morgen: „Näher bei den Menschen, mehr im Zentrum der Gesellschaft".
Innsbruck – Nach dem von Rom ausgesprochenen Segnungsverbot schlägt Innsbrucks Diözesanbischof Hermann Glettler vor, dass anstelle eines Priesters die Herkunftsfamilien den Segen für gleichgeschlechtliche Paare aussprechen. Dies könne im Rahmen eines Wortgottesdienstes im Kreise der Familie passieren, erklärte Glettler im APA-Interview. Zudem erläuterte das Tiroler Kirchenoberhaupt seine Vision der Kirche von morgen: "Näher bei den Menschen, mehr im Zentrum der Gesellschaft".
"Es war schon 'old school' zu meinen, dass so ein sensibles Thema mit einer einfachen Klarstellung zu lösen wäre", kommentierte Glettler die Mitte März bekannt gegebene Entscheidung der vatikanischen Glaubenskongregation. In einem sogenannten responsum ad dubium (Antwort auf einen Zweifel) heißt es, Segnungen menschlicher Beziehungen seien nur möglich, wenn damit den Plänen Gottes gedient sei. Unzulässig sei jede Segnungsform, die homosexuelle Partnerschaften anerkenne. Die christliche Gemeinschaft sei aber aufgerufen, Menschen mit homosexuellen Neigungen zu respektieren.
"Die Kränkung hat stattgefunden"
Das Schreiben der Glaubenskongregation wurde mit Zustimmung von Papst Franziskus veröffentlicht. Es handle sich dabei um "ein wichtiges pastorales Feld", das in die Ortskirche gehöre, sagte Glettler dazu. "Ich hätte mir gewünscht, dass man nicht alles festschreibt", meinte der Diözesanbischof. "Die Kränkung hat stattgefunden, es wurde das Signal gesendet: 'So wie ihr lebt, ist es nicht in Ordnung'."
Mit seinem Vorschlag der Segnung im Familienkreis könne die durch das Verbot angestoßene Diskussion entschärft werden. Die Kirche werde sich immer deutlich "für die Ehe als Lebensgemeinschaft von Mann und Frau einsetzen", merkte Glettler an, die "Komplementarität, die durch die geschlechtliche Unterschiedlichkeit gegeben ist", sei schließlich etwas "sehr Kostbares". Dass die Ehe im katholischen Verständnis "nicht nur ein Segen, sondern auch ein Sakrament" sei, werde in aktuellen Diskussionen oft vergessen.
"Noch mehr im Zentrum der Gesellschaft"
Auf die Frage, warum die Kirche überhaupt entscheiden darf, wen Gott segnen soll, meinte Glettler, dass es seine Aufgabe sei, "Gottes Segen so intensiv wie nur möglich und an den unterschiedlichsten Lebensorten erfahrbar zu machen". Die Kirche von morgen wünschte er sich "noch näher bei den Menschen, und noch mehr im Zentrum der Gesellschaft". Das Evangelium, also die Frohbotschaft Jesu "noch kreativer zu verkünden", das sei "die Uraufgabe, der wir uns in Zukunft widmen müssen". Dann sei auch Platz für die vielen anstehenden Strukturdiskussionen, meinte das Tiroler Kirchenoberhaupt.
Dazu zählt auch die Diskussion um den Priesternachwuchs. Bischof Glettler sieht hier nicht zuerst Rom, sondern die Gläubigen und die Diözesen in der Pflicht: "Es ist viel an Selbstverständnis weggebrochen, wenn es um den zölibatär lebenden Priester geht." Männer, die sich heute auf diesen Weg machen, würden "kaum eine positive Unterstützung" bekommen, stattdessen stünden sie eher "unter Verdacht, potenzielle Missbrauchstäter zu sein oder einen Strukturwandel in der Kirche verhindern zu wollen". Um den Priesterberuf wieder attraktiv zu machen, brauche es zusätzlich zu "einem gesunden katholischen Selbstbewusstsein über den Sinn und Auftrag des priesterlichen Dienstes" auch mehrere Optionen gemeinschaftlichen Lebens für Priester, "mit Sicherheit aber keinen neuen Klerikalismus".
Aufhebung des Zölibats
Dass eine Aufhebung des Zölibats den Priestermangel kurzfristig lindern könnte, steht für den Bischof außer Zweifel. Grundsätzlich glaubt Glettler, dass es zukünftig in der Kirche neben dem Leitungsamt, das über die sakramentale Weihe vermittelt wird, "noch wesentlich stärker kirchliche Leitungsverantwortung von Laien geben muss, die das entsprechende Charisma dafür mitbringen".
Ob die Nichtzulassung der Frauenordination noch zeitgemäß ist, sei "eine weltkirchliche Entscheidung". Dass Frauen nicht zu Priestern geweiht werden können, werde heute als Ungleichbehandlung und Ungerechtigkeit wahrgenommen. Er persönlich müsse als Bischof "die Haltung der Weltkirche mittragen" und "die Spannung aushalten", wisse aber, wie er sich bei den zuständigen Stellen zu dieser Frage einbringen werde. (APA)