Totgeburt Super League: Clubs ziehen Notbremse, Mitinitiator gesteht Aus
Nach dem Rückzug aller sechs englischen Clubs zogen sich auch Atletico Madrid, Inter und AC Milan aus der geplanten Super League zurück. Nachdem die beiden Initiatoren, Real-Präsident Perez und Juve-Boss Agnelli, an dem Milliarden-Projekt festhalten wollten, erklärte nun Agnelli das Aus.
London, Madrid, Turin – Die Pläne von zwölf europäischen Fußball-Topclubs für eine Super League sind zumindest fürs Erste krachend gescheitert. Mitinitiator Andrea Agnelli, der Präsident des italienischen Rekordmeisters Juventus Turin, gestand am Mittwoch, dass die Pläne durch den Rückzug der sechs ursprünglich involvierten englischen Clubs nicht mehr umsetzbar seien. Wenig später brachen mit Atletico Madrid, Inter und AC Milan drei weitere Teams weg. Auch Juve musste in einer Stellungnahme klein beigeben.
Die englischen Vertreter Arsenal, Chelsea, Liverpool, Manchester City, Manchester United und Tottenham hatten auf Druck ihrer Fans und der Politik bereits am Dienstagabend ‒ keine 48 Stunden nach Veröffentlichung der Abspaltungspläne ‒ einen Rückzieher gemacht.
Von den zwölf Vereinen, die sich zusammengeschlossen hatten, um die Fußball-Welt zu revolutionieren, war am Mittwochnachmittag nur noch wenig über. Beim FC Barcelona stellte Präsident Joan Laporta eine Abstimmung der Mitglieder in Aussicht, die wohl ebenfalls klar gegen eine Beteiligung ausfallen würde.
Agnelli betonte, dass er überzeugt sei, dass der europäische Fußball eine Veränderung brauche. Er bedauere die Art und Weise des Versuches nicht, betonte der Fiat-Manager gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Ob das Projekt nach den zahlreichen Rückziehern noch weitergeführt werden könne? "Um ehrlich zu sein, nein, das ist offensichtlich nicht der Fall." Zuvor wollten er und der Mitinitiator, der Boss von Real Madrid, Florentino Perez, an der League festhalten und in anderer Form durchsetzen. Sie sprachen dabei von einer "Blutsbrüderschaft" ihrer beiden Vereine.
Von England ausgehender Domino-Effekt
Zuvor gab es einen regelrechten Domino-Effekt in Sachen Rückziehern von der Super League. Als erster der Initiatoren hatte Manchester City am Dienstagabend seine Teilnahme wieder abgesagt. Dem folgten die anderen fünf englischen Mitgründer Liverpool, Manchester United, Arsenal, Tottenham Hotspur und schließlich Chelsea.
Real Madrid und Juventus galten als die größten Treiber hinter der neuen Liga, die in direkter Konkurrenz zur Champions League der UEFA gestanden wäre. Reals Präsident Florentino Perez war als Vorstandsvorsitzender vorgesehen, Agnelli als sein Stellvertreter. "Ich bleibe überzeugt von der Schönheit dieses Projektes", sagte Agnelli. Es hätte den besten Wettbewerb der Welt kreiert. "Aber zugegeben - ich glaube nicht, dass das Projekt immer noch läuft."
Laut Agnelli seien vor dem Rückzug der englischen Vertreter zahlreiche andere Clubs an ihn herangetreten, um Aufnahme in den elitären Kreis zu finden. Neben den zwölf genannten Gründern wären noch drei weitere ständige Mitglieder vorgesehen gewesen. Fünf Plätze in der 20er-Liga hätten jährlich auf Basis der sportlichen Leistungen vergeben werden sollen.
"Ich werde nicht sagen, wie viele Clubs mich alleine in den vergangenen 24 Stunden kontaktiert haben", sagte Agnelli. "Vielleicht lügen sie, aber viele haben mich kontaktiert und gefragt, was sie machen können, um aufgenommen zu werden." Topclubs aus Deutschland und Frankreich, darunter der entthronte Champions-League-Sieger Bayern München oder Paris Saint-Germain, hatten sich am Dienstag öffentlich klar gegen die Super League deklariert.
Agnelli machte die Politik für das Aus mitverantwortlich
Agnelli machte auch den Druck, den die britische Regierung angeführt von Premier Boris Johnson auf die englischen Clubs ausgeübt hatte, für deren Rückzieher verantwortlich. Die sechs Teams hätten in deren Augen wohl auch die englische Premier League gefährdet, spekulierte der 45-Jährige. "Die Politik hätte das als einen Angriff auf den Brexit und auf ihr politisches Schema gesehen."
Die Reaktionen der Fans auf die Pläne waren in England besonders ablehnend ausgefallen. Deshalb wandten sich die englischen Clubs am Dienstagabend – keine 48 Stunden nach Veröffentlichung der Pläne – auf Druck ihrer Fans und auch der britischen Regierung von der Super League ab. „Wir haben einen Fehler gemacht und wir entschuldigen uns dafür“, hieß es auf dem Twitter-Account von Arsenal. Chelsea ergänzte, dass man zu dem Schluss gekommen sei, dass die Pläne „nicht im besten Interesse des Clubs, unserer Fans und der breiteren Fußballgemeinschaft sind.“
Liverpool-Eigentümer entschuldigt sich bei Fans
Liverpools US-amerikanischer Haupteigentümer John Henry nahm die Schuld für das Tohuwabohu auf seine Kappe und entschuldigte sich bei den Fans und Trainer Jürgen Klopp. „Es tut mir leid, ich alleine bin für die unnötige Negativität, die in den vergangenen Tagen aufgekommen ist, verantwortlich“, sagte der Chef der Fenway Sports Group in einem Video auf der Club-Website. „Das ist etwas, das ich nicht vergessen werde. Und es zeigt die Kraft, die die Fans heute haben und zurecht weiterhin haben werden.“
Als Reaktion auf die ganze Geschichte will die britische Regierung auch über eine stärkere Regulierung der Geldflüsse im englischen Fußball nachdenken. So werde man laut Sportminister Oliver Dowden auch über die in Deutschland gültige 50+1-Regel nachdenken, wonach Investoren nicht die Mehrheit an einem Fußballclub halten dürfen - im Milliarden-Business des englischen Fußballs eine Revolution. Damit wäre die Zeit des ungebremsten Geldausgebens durch teilweise dubiose Eigentümer aus Arabien, Russland oder den USA wohl vorbei.
UEFA-Präsident: Keine Konsequenzen für einsichtige Abtrünnige
UEFA-Präsident Aleksander Ceferin begrüßte den Rückzug der englischen Vereine und hofft auf eine dauerhafte Kooperation mit den Fußball-Spitzenclubs. „Ich habe gestern gesagt, dass es bewundernswert ist, einen Fehler zuzugeben, und diese Vereine haben einen großen Fehler gemacht“, sagte der Slowene. „Aber sie sind jetzt wieder auf Kurs, und ich weiß, dass sie nicht nur unseren Wettbewerben, sondern dem gesamten europäischen Spiel viel zu bieten haben“, betonte der 53-Jährige.
Ceferin will offenbar von unmittelbaren Konsequenzen für die einsichtigen Abtrünnigen absehen. „Das Wichtigste ist jetzt, dass wir weitermachen, die Einheit, die das Spiel zuvor genossen hat, wieder aufbauen und gemeinsam vorankommen“, sagte der UEFA-Boss. Als Drohkulisse hatte er zuvor selbst einen Ausschluss aus der noch laufenden Europacup-Saison sowie eine EM- und WM-Sperre für alle Profis der Clubs ins Spiel gebracht.
Die UEFA hatte ihrerseits am Montag eine Reform der Champions League ab 2024 beschlossen. Demnach wird die bestehende Königsklasse von 32 auf 36 Clubs aufgestockt und die erste Phase nicht in Gruppen aufgeteilt, sondern in einem Ligaformat bestritten. Zwei der vier zusätzlichen Startplätze werden nicht über aktuelle Leistungen, sondern über die UEFA-Fünfjahreswertung vergeben. Diese Sicherheit scheint den ganz großen Clubs aber zu wenig. (TT.com/APA/Reuters)