Innsbruck Land

Euregio-Museumsprojekt: Zwangsarbeit in 2900 Meter Seehöhe

Hochalpine Relikte – die Fundamente der Materialseilbahn, die von Innervals über die Hohe Kirche zur Alpeiner Scharte führte.
© Archiv Gem.museum Absam

Ein Euregio-Museumsprojekt rückt „Bergbau und Zeitgeschichte 1935–1955“ in den Fokus.

Vals, Absam – Nicht Silber, Kupfer oder Salz, sondern typische Industrierohstoffe des 20. Jahrhunderts stehen im Mittelpunkt eines grenzüberschreitenden Euregio-Museumsprojektes, das um Bergbau- und Zeitgeschichte in Nord- und Südtirol in den bewegten Jahren von 1935 bis 1955 kreist. Projektpartner sind das Südtiroler Landesmuseum Bergbau und das Gemeindemuseum Absam.

Vier Beispiele des Tiroler Bergbaus, die über verschiedene politische Systeme zwischen faschistischer und nationalsozialistischer Diktatur, Monarchie und Republik hinweg Bedeutung erlangten, stehen im Fokus: Auf Südtiroler Seite sind das der Bergbau am Schneeberg in Passeier (Zink und Blei), der Abbau von Beryllium in der Masul-Schlucht bei Meran und die Suche nach Uran-Vorkommen im hinteren Ahrntal und Windtal.

Nordtirol ist mit einem besonders spannenden, wenig bekannten Kapitel vertreten – dem Molybdän-Bergbau im Valsertal. Am 1. Oktober 1941 beschloss das Oberkommando der Wehrmacht in Berlin den „sofortigen Ausbau“ der 1939 oberflächlich identifizierten Lagerstätten auf der Alpeiner Scharte. Molybdän wurde wegen seiner Eigenschaften vor allem in der Stahlveredelung benötigt – und spielte daher eine wesentliche Rolle in der Rüstungsindustrie. Für das Valsertal bedeutete die Kriegskonjuktur, dass – gegen die Regeln der Bergwirtschaft – viel Geld in den Ausbau eines hochalpinen Bergbaubetriebes gepumpt wurde.

Rund sechs Millionen Reichsmark kostete der Versuch, Molybdän im Valsertal zu fördern und aufzubereiten. Eine Materialseilbahn für 50 Tonnen Tagesleistung entstand, Erdkabel bis zur Alpeiner Scharte wurden verlegt, eine beheizte Wasserleitung errichtet. Dabei kamen zwischen 1941 und 1945 verschiedenste Formen der NS-Zwangsarbeit zur Anwendung: Italienische „Vertragsarbeiter“, ukrainische und weißrussische Zwangsarbeiter, französische und serbische Kriegsgefangene sowie Arbeitstrupps der Wehrmacht bauten mitten in einem 1942 verordneten Naturschutzgebiet eine großtechnische Anlage auf. Doch letztlich wurde in dieser Zeit kein Gramm Molybdän gewonnen.

Die Museumskooperation erfolgt zunächst digital: In mindestens acht zweisprachigen Podcast-Episoden wird die Geschichte der verschiedenen Bergbau-Standorte aufgerollt. Die ersten beiden Folgen, beide zum Thema Vals, sind seit wenigen Tagen kostenlos unter www.absammuseum.at abzurufen.

„Sobald es Corona zulässt, kommt ein mobiler Ausstellungscontainer zum Einsatz“, berichtet der Absamer Museumsleiter Matthias Breit. Dieser wird an öffentlichen Plätzen in Nord- und Südtirol aufgestellt – und bietet Dokumente, Fotos, Grubenpläne, Luftbilder, Interviews und mehr. (Rad-)Exkursionen auf den Spuren der Bergbau-Zeitgeschichte sollen das Programm abrunden. (TT, md)

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