Recycling-Tour 2021

Manu Delago radelt fürs Klima: „Rockstar-Feeling braucht keiner mehr“

Instrumente und Technik im Gepäck: Mit seiner vierköpfigen Band macht sich Manu Delago (Mitte) ab 30. April auf „ReCycling-Tour“.
© Simon Rainer

Mit dem Rad quer durch Österreich, Instrumente und Technik im Gepäck: Der Tiroler Musiker Manu Delago geht ab Freitag auf ReCycling-Tour. Vorab sprach er mit der TT über Beweggründe und Verantwortung.

1600 Kilometer in 34 Tagen, einmal quer durch Österreich mit dem Rad – von Gig zu Gig. Was hat Sie zur ReCycling-Tour, die am Samstag startet, veranlasst?

Manu Delago: Es gibt verschiedene Gründe. Der offensichtlichste ist der Umweltschutz, den ich privat schon lange versuche, in mein Leben und Tun einzubauen. Ein weiterer Grund ergab sich aus meinem bisherigen Tour­alltag. Das lange Sitzen im Tourbus und im Konzertsaal hat mich an den kurzen freien Pausen nach draußen gezwungen. Ich wollte mich einfach bewegen. Beim täglichen Laufen rund um das Hotel und durch fremde Städte kam der Gedanke, wie schön wäre es, jetzt einfach zum nächsten Tourstopp zu laufen? Mit einem Rad könnte sich das sogar ausgehen, wenn die Etappen gut geplant sind. Und schon stand die Idee für die ReCycling-Tour.

Die Umsetzung verlangte einiges an Vorbereitung.

Delago: Insgesamt arbeiten wir seit über zwei Jahren an der Idee, Corona kam uns auch dazwischen. Es gab viele Zusatzherausforderungen zum normalen Touren. Nachdem geklärt war, wie wir zu fünft mit Equipment die Distanzen schaffen, wuchs das Projekt immer weiter. Wir werden die Versorgung möglichst nachhaltig gestalten, setzen da auf Fans und Freunde, die uns verköstigen. Und wir produzieren mit Solarpaneelen Strom für die Technik. Zusätzlich wird es täglich Videos geben, in denen wir nachhaltige Konzepte vorstellen und über Umweltschutz sprechen werden.

Gehen sich Konzerte überhaupt aus?

Delago: Wir planen aktuell 25 Konzerte, mit oder ohne Publikum. Einiges wird gestreamt, wie jetzt zum Tour­auftakt im Haller Stromboli. Ab Mitte Mai hoffen wir vor Publikum spielen zu können. Wir bleiben in jedem Fall flexibel, aber wir wollen uns auch streng an die Gesetze halten. Ich sehe die Tour ja als Experiment, um zu sehen, ob man die Idee öfter umsetzen kann. Im Idealfall gibt es Nachahmer, die sich vielleicht nur einen Aspekt herausgreifen für die eigene Tour. Auch wenn es nur die Ernährung, nur die Abfallvermeidung oder nur die Energieeinsparung ist, wäre das ein Anfang. Die Musikindustrie muss sich nachhaltiger entwickeln.

Blog zur Tour auf TT.com

Manu Delago lebt als Musiker (Hang) und Komponist in London und Tirol. Er tourte mit eigener Band oder MusikerInnen wie Björk, Anoushka Shankar oder Olafur Arnalds international.

Mit dem Fahrrad geht es ab Samstag (Auftakt mit Streamkonzert aus dem Stromboli Hall) durch ganz Österreich und Südtirol. Ziel: 2. Juni zurück in Innsbruck.

🔴 TT.com begleitet den Musiker ab 30. April in einem eigenen Blog.

Was ist Ihnen in Ihrem bisherigen Künstleralltag negativ aufgefallen?

Delago: Unser Tourbus war jedes Mal ein Müllberg! Das Essen an Raststationen produziert so viel Müll. Ein Paradebeispiel sind leider immer noch die Plastikflaschen, die bei Konzerten oder Festivals palettenweise angekarrt werden. Absolut sinnlos! Auch beim Catering sind die Mengen oft falsch bemessen, es gibt viel zu viel. Dieses Rockstar-Feeling braucht heute keiner mehr. Und natürlich der Transport selbst: Touren könnten effizienter gestaltet werden, Flugreisen vermieden oder wenn, dann besser getaktet werden, damit für nur ein Konzert nicht immer zwei Flüge anfallen.

Sie selbst leben in London und Tirol. Geht Internationalität und Nachhaltigkeit?

Delago: Meine eigene Situation ist sicher ein Grund, wieso sich die ReCycling-Tour so entwickelt hat – ich hatte ein schlechtes Gewissen. Wenn man als Musiker endlich international touren kann, dann ist das die Erfüllung eines Jugendtraums. Inzwischen mache ich mir genau Gedanken über das Touren und habe immer wieder Konzerte abgesagt, wenn die Anfahrt zu weit war. Natürlich bin ich in der Luxusposition, wählerisch sein zu dürfen. Ich glaube aber schon, dass jeder Einzelne etwas verändern kann mit seinem Verhalten.

Es gibt Festivals, die plastikfrei bleiben, Museen, die auf ihre CO2-Bilanz achten – ist die Kultur spät dran?

Delago: Teilweise gibt es Nachholbedarf. Aber gibt es so positive, progressive Beispiele, das Stromboli etwa ist ein zertifizierter Klimabündnis-Betrieb und die Alte Gerberei in St. Johann, in der wir Station machen, arbeitet daran. Für Kulturschaffende und Veranstaltende ist es wichtig, ihre Reichweite zu nutzen und auch die Masse auf nachhaltige Themen aufmerksam zu machen. Ich bin jedes Mal schockiert, wenn ich SpitzensportlerInnen im Fernsehen sehe, die aus Einwegflaschen trinken. Das ist schade, sie hätten so viel Einfluss.

Sie sagten, die Klimakrise kann nicht warten, bis Corona vorbei ist. Hat das globale Herunterfahren nicht auch neue Möglichkeiten für Nachhaltigkeit aufgezeigt?

Delago: Ich würde auch sagen, die Menschheit hat gelernt, dass vieles möglich ist, etwa wenn man sich online treffen kann. Augenöffnend war für mich, welche Macht eine Regierung hat, wie sehr sie das Leben verändern kann. Ich hoffe, dass das auch einmal für Umweltschutz gilt. Ein paar private Haushalte können die Welt nicht retten, da braucht es den Willen zur Veränderung von ganz oben.

Corona zwang viele Veranstalter dazu, auf Regionalität zu setzen. Birgt das längerfristig eine Gefahr?

Delago: Ich finde es wichtig, lokale KünstlerInnen zu fördern. Gleich wichtig ist der internationale Austausch. Auch ich möchte irgendwann wieder international Konzerte spielen – aber mit mehr Konzept.

Coldplay will nur noch touren, wenn das auch CO2-neutral möglich ist. Ist das in diesem High-End-Bereich überhaupt realisierbar?

Delago: Das ist eine große Ansage, keine Ahnung, ob das umsetzbar ist. Wenn das Statement zum Nachdenken anregt, dann ist schon was geschafft.

Das Gespräch führte Barbara Unterthurner