Opferschutzeinrichtungen nach Morden: „Hört uns zu, wir kennen die Gründe“
Nach einer Serie von Frauenmorden in Österreich pochen Opferschutzeinrichtungen darauf, mit ihren Anliegen Gehör zu finden. Darüber hinaus fordern sie eine deutliche Aufstockung der finanziellen Mittel.
Von Nikolaus Paumgartten
Innsbruck – Seit Jahresbeginn sind heuer in Österreich elf Frauen getötet worden – jedes Mal von Männern, jedes Mal von Partnern oder Ex-Partnern. Statistisch gesehen entspricht das drei Femiziden im Monat.
„Jede getötete Frau ist eine zu viel. Deshalb darf der Aufschrei nach der Serie von Frauenmorden in Österreich nicht wieder ohne Konsequenzen verklingen“, sagt Eva Pawlata, Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums Tirol. Die Zeit der schönen Worte und Absichtserklärungen seitens der Politik müsse ein Ende haben, jetzt gelte es Taten zu setzen. Dazu gehöre es auch, dass Gewaltschutzeinrichtungen und Beratungsstellen in die Entscheidungsprozesse einbezogen und endlich gehört und ernst genommen werden. „Wir brauchen jetzt keine neuen Studien. Wir kennen die Gründe für Gewalt an Frauen“, betont Pawlata. Dabei gehe es meist um Machtgefälle und fehlende Gleichbehandlung. Vor allem wenn Kinder da sind, würden sich Frauen in Abhängigkeiten befinden. „Außerdem geht es um die finanzielle Ausstattung von Einrichtungen. Das Bitten und Betteln der Opferschutzeinrichtungen um Ressourcen sollte endlich der Vergangenheit angehören“, fordert Pawlata und warnt davor, dass das Aufbäumen der Gesellschaft und der Politik nur von kurzer Dauer sein könnte.
Das Gewaltschutzzentrum Tirol hat seit Jahresbeginn bereits 695 Klientinnen und Klienten betreut – das sind um 100 mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. 343 Betretungsverbote wurden ausgesprochen. Pawlata rechnet damit, dass sich bis Jahresende rund 1500 Personen an die Einrichtung wenden werden. Im Tiroler Frauenhaus gibt es 16 Plätze für Frauen und ihre Kinder – benötigt würden 54.
„In Österreich ist jede fünfte Frau ab dem 15. Lebensjahr körperlicher oder sexueller Gewalt ausgesetzt“, schlägt auch SPÖ-Nationalrätin Selma Yildirim Alarm und schließt sich den Forderungen des Gewaltschutzzentrums Tirol an. „Opferschutz, Täterarbeit und Prävention sind die Säulen, auf denen Gewaltschutz aufbaut. Dafür braucht es mehr Geld. Ohne Wenn und Aber“, sagt Yildirim. Sie fordert unter anderem ein verpflichtendes Anti-Gewalt-Training für Männer, die bereits ein erstes Mal auffällig geworden sind. Ein solches sollte auch von der Polizei verordnet werden können und nicht nur wie derzeit von der Justiz. Einen entsprechenden Antrag dafür habe der Justizausschuss des Nationalrats vor einem Jahr vertagt. „Die Umsetzung werde ich jetzt einmal mehr einfordern. Das gilt auch für die Datenweitergabe bei Stalking und den Ausbau Opferschutzorientierter Täterarbeit“, so Yildirim.
Neben der raschen Opferhilfe und akuten Sofortmaßnahmen müsse auch ein gesellschaftliches Umdenken in Gang gesetzt werden, fordern Pawlata und Yildirim. Am besten gelinge das bereits im Kindesalter in Form der Vermittlung von modernen Rollenbildern. Zentral sei dabei die Gleichstellung der Frau und deren finanzielle Unabhängigkeit vom Mann. Kampagnen wie jene der späten 1990er-Jahre unter dem Motto „Ganze Männer machen halbe-halbe“ seien damals zwar belächelt und kritisiert worden, seien heute aber notwendiger denn je, um für das Thema Gleichberechtigung zu sensibilisieren, meint Nationalrätin Yildirim.