U-Ausschuss

Ungemach für Kurz: Jetzt auch Kanzler im Visier der Justiz

ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz ist mit Justizentscheidungen zum parlamentarischen U-Ausschuss konfrontiert.
© APA/Fohringer

Gegen den Regierungschef wird wegen Falschaussage im U-Ausschuss ermittelt. Und die Höchstrichter verlangen Aktenlieferung.

Von Karin Leitner

Wien – Ungemach für ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt nun gegen ihn wegen Falschaussage im parlamentarischen U-Ausschuss, in dem es um die mutmaßliche Käuflichkeit der vormaligen schwarz-blauen Regierung geht. Gleiches gilt für seinen Kabinettschef Bernhard Bonelli. Beide sind als Beschuldigte geführt.

📽️ Video | WKStA führt Kanzler Kurz als Beschuldigten

Dem vorausgegangen ist eine Anzeige von der SPÖ und den NEOS zur Casinos-Affäre. Es geht um die Bestellung des Aufsichtsrats und des Alleinvorstands der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG); der Kurz-Vertraute Thomas Schmid, er war Generalsekretär im ÖVP-geführten Finanzministerium, hat den Job bekommen. Die von den Behörden ausgewerteten Chats widersprechen aus Sicht der Ermittler in mehrerlei Hinsicht dem, was Kurz am 24. Juni vergangenen Jahres im U-Ausschuss befunden hat. Er hatte den Abgeordneten gesagt, in Schmids Bestellung nicht eingebunden gewesen zu sein. Chats belegen Gegenteiliges: „Sebastian will mich nicht gehen lassen“, merkte Schmid zu seinen Ambitionen, in die Vorläufer-Organisation der ÖBAG, die ÖBIB, zu wechseln, an. Zwei Monate vor seinem Hearing schrieb er, dass alles „auf Schiene“ und „mit Sebastian“ abgestimmt sei. „Kriegst eh alles, was du willst“ – das hatte Kurz auf die Bitte von Schmid vor seiner Inthronisierung als ÖBAG-Vorstand, ihn „nicht zu einem Vorstand ohne Mandate“ zu machen, geantwortet.

Auch Bonelli bestritt im U-Ausschuss, in die Entscheidung involviert gewesen zu sein. Laut den sichergestellten Chats soll er Kurz personelle Vorschläge für den Aufsichtsrat gemacht haben.

Im U-Ausschuss stehen Auskunftspersonen unter Wahrheitspflicht. Laut Paragraf 288 Strafgesetzbuch drohen jemandem, der falsch aussagt, bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe. Die Ermittler verweisen darauf, dass auch „Verschweigen erheblicher Tatsachen“ als Falschaussage qualifiziert werden kann.

Was sagt Kurz zur Causa? Es würde um ein Verfahren gehen, das wegen des geringen Strafmaßes Sache eines Einzelrichters sei. Die WKStA könne jederzeit einen Strafantrag stellen; dies kommt einer Anklage gleich. Er werde aber nicht abdanken, sondern seine Sicht der Dinge schildern. Und: Im U-Ausschuss habe er alle Fragen wahrheitsgemäß beantwortet, sagt Kurz. Auch Bonelli werde sich nicht zurückziehen.

Würde Kurz, auch wenn verurteilt, weiter amtieren? „Ehrlich gesagt kann ich mir das (eine Verurteilung) beim besten Willen nicht vorstellen.“ Einen Termin bei der WKStA hat er noch nicht.

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Kaum war bekannt geworden, dass gegen den Regierungschef ermittelt wird, kam die nächste Nachricht nicht in Kurz’ Sinne. Das Höchstgericht tat kund, dass das Bundeskanzleramt die von den Oppositionellen verlangten Unterlagen an den Ibiza-Untersuchungsausschuss zu liefern hat. Der Antrag, die Handy-Nachrichten des Bundeskanzlers zu übermitteln, ist wegen eines Formfehlers zurückgewiesen worden. Was die Frage anlangt, ob Mails unwiderruflich gelöscht worden sind, verweist das Verfassungsgericht auf eine allfällige Exekution.

📽️ Video | Kanzleramt muss U-Ausschuss Akten liefern

SPÖ, FPÖ und NEOS hatten sich an das Verfassungsgericht gewandt, weil das Bundeskanzleramt für den U-Ausschuss relevante Akten schuldig geblieben war. Mit zwei von drei Anträgen haben die Oppositionellen reüssiert. Geliefert werden müssen fehlende Dokumente zur Tätigkeit der Stabsstelle „Think Austria“ und die vollständigen E-Mail-Postfächer des Kanzlers, der übrigen Regierungsmitglieder im Bundeskanzleramt und mehrerer dortiger Bediensteter.

Reaktion aus dem Kanzleramt: Die Akten würden den Mandataren zugestellt. „Die Entscheidung des Höchstgerichtes, auch E-Mails zu liefern, die nicht mit dem Untersuchungsgegenstand zusammenhängen, wird selbstverständlich akzeptiert und unverzüglich umgesetzt.“ Die E-Mails würden „in unterschiedlichen Klassifizierungsstufen nach dem Informationsordnungsgesetz geliefert“.

Der Koalitionspartner kommentiert die Angelegenheit vorerst nur so: Die Grünen hätten „vollstes Vertrauen in die Justiz“; sie stellen die zuständige Ministerin.

Die politischen Konkurrenten halten sich naturgemäß nicht zurück. Ob der staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen Kurz müsse dieser aus seinem Amt weichen, konstatieren die Freiheitlichen. So weit gehen die zwei anderen Oppositionsparteien noch nicht. SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner lässt wissen: Sollte der Kanzler angeklagt werden, wäre „die „rote Linie überschritten“. Für die NEOS hat Kurz aus der Regierung ein „zwielichtiges Kabinett“ gemacht, Parteichefin Beate Meinl-Reisinger sagt: „Das andauernde Match ÖVP gegen den Rechtsstaat schadet der Demokratie in unserem Land.“

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