Vorsatz für nächstes Jahr: Sterben
Uraufführung in Innsbruck: Felix Hafners Bühnenadaption des Erfolgsromans „Königin der Berge“ ist tief berührend.
Von Barbara Unterthurner
Innsbruck – Mit Ende zwanzig bekommt er die Diagnose, die sein Leben verändert. Multiple Sklerose sei kein Todesurteil mehr, hat man Robert Turin anfangs wohl gesagt. Jetzt, mit Mitte vierzig sitzt er bereits seit Jahren im Rollstuhl, er wohnt im Heim und die Schübe werden immer stärker. Als Nächstes wird wohl das Sprachvermögen angegriffen. Noch muss Turin an der Krankheit, die er poetisch „Königin der Berge“ nennt, nicht sterben – er will es aber. Sein Jahresvorsatz: Sterben, selbst gewählt und in der Schweiz. Ernst, aber nie todtraurig: Mit dieser Krankheitsgeschichte holte sich Daniel Wisser 2018 u. a. den Österreichischen Buchpreis.
Noch um einiges berührender als der Roman ist die Bühnenadaption von Wissers „Königin der Berge“ unter der Regie von Felix Hafner ausgefallen, die am Mittwoch in den Innsbrucker Kammerspielen vor Publikum uraufgeführt wurde. Jetzt endlich, nach langer Wartezeit. Das Stück sollte bereits im November letzten Jahres zur Premiere kommen.
Mit Dezember 2020 wurde der Stoff noch schnell von der Gegenwart eingeholt: Der Verfassungsgerichtshof hat jene Bestimmung aufgehoben, die die Hilfestellung zum Suizid unter Strafe stellt. Der Roman hätte bald also vielleicht ein ganz anderes Ende nehmen können.
In der Bühnenfassung von Thomas Krauss muss Turin (ein trotz Bewegungseinschränkungen souveräner Stefan Riedl) das Sterben in Würde zunächst noch ohne Hilfe versuchen. In spektakulären Bildern (Licht: David Seebacher) wird der kurze Augenblick bevor das Licht ausgeht, wolkiger Traum und krachiger Albtraum zugleich. Am Ende erwacht Turin doch immer in seinem Zimmer. Hier sitzt es sich weich gepolstert (Bühne und Kostüme: Helfried Lauckner), hier kann ihm nichts passieren, suggerieren auch die Schwestern (Petra Alexandra Pippan, Ulrike Lasta, Janine Wegener und Daniela Bjelobradić).
Turin will dennoch ausbrechen – auch weil selbst sein skurriler Humor schon lange nicht mehr so stark ist wie die Krankheit. Der grätscht als Turins längst verstorbener Kater Dukakis (schön schräg angelegt von Kristoffer Nowak) immer wieder ins Geschehen rein. Aber selbst seine schrille Stimme wird zusehends leiser. Am Ende helfen gar Turins Machismus oder der Alkohol nicht weiter. Er ist müde und impotent. Nicht bei seiner Ehefrau, sondern vor der Psychologin Katharina Payer (Marion Fuhs) wird Turin ein letztes Mal zum Kind – bevor endlich nur noch Stille bleibt. Und das Publikum wieder durchatmen kann.