Feuernacht in Südtirol: „Für die Begnadigung auch den Willen kundtun“
Vorsitzender des Südtirol-Ausschusses Hermann Gahr ist gegen Generalamnestie für Attentäter. Südtiroler Landtag gegen Aufforderung an Präsidenten.
Von Peter Nindler
Innsbruck, Bozen – In der Nacht auf Samstag jährt sich zum 60. Mal die Feuernacht in Südtirol. Aktivisten wollten damals mit der Sprengung von 37 Strommasten auf die Unterdrückungspolitik Roms Anfang der 1960er-Jahre, auf die Blockade bei der Umsetzung des Pariser Abkommens sowie die Rechte der Südtiroler Bevölkerung aufmerksam machen. Es war der Auftakt zu den Bombenjahren. 361 Anschläge wurden bis Ende der 1980er-Jahre verübt, die insgesamt 21 Tote, davon 15 Angehörige der Ordnungskräfte, und 57 Verletzte zur Folge hatten.
Viele Attentäter wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, einige davon unter Abwesenheit. Wie die nach Österreich geflüchteten „Pusterer Buam“. Schon seit Jahren wird deshalb über eine Begnadigung der noch lebenden Südtirol-Aktivisten diskutiert. So haben die Kinder von Heinrich Oberleitner vor drei Jahren um Begnadigung ihres Vaters angesucht, die von der Staatsanwaltschaft Brescia befürwortet wird. Die Entscheidung liegt jetzt bei Staatspräsident Sergio Mattarella. Bei seinem Besuch in Rom sprach dessen österreichischer Amtskollege Alexander Van der Bellen optimistisch davon, dass „wir auf einem guten Weg“ sind. Insgesamt bleibt es aber weiter eine sensible diplomatische Angelegenheit, denn die Begnadigung ist in Italien nicht unumstritten, zumal die Aktivisten in den Rechtsparteien als „Dynamitardi“ bezeichnet werden.
Bei dem in der Vorwoche vollzogenen Stromzusammenschluss am Brenner wurde die Feuernacht – die Ursache für die jahrzehntelange Unterbrechung – von Tirols LH Günther Platter (ÖVP) angesprochen. Der Landeshauptmann spricht sich für die Begnadigung der „Pusterer Buam“ Heinrich Oberleitner, Sepp Forer und Siegfried Steger aus. „Wenn wir heute diese Wiederherstellung der Stromleitung zwischen Nord- und Südtirol feiern, so kommen wir nicht umhin, auf den historischen Hintergrund der damaligen Trennung zu verweisen. In der Nacht vom 11. auf den 12. Juni 1961 wurden in Südtirol 37 Strommasten gesprengt. Für die Südtirol-Aktivisten von damals war es ein Akt der Verzweiflung. Sie wollten die ganze Welt auf die ungelöste Südtirol-Frage, auf ihr Schicksal hinweisen.“
Platter geht es „bei einer Begnadigung mehr als um den Seelenfrieden dieser drei alten Männer. Es geht auch um eine Symbolik, dass man in Italien ein Zeichen der Versöhnung setzt“, sagte er im Tiroler Landtag.
Für den Vorsitzenden des Südtirol-Ausschusses im Parlament, NR Hermann Gahr (VP), wäre der 60. Jahrestag der Feuernacht jedenfalls ein Anlass, „dieses Thema abzuhaken“. Es benötige zugleich ein aktives Zeichen der Aktivisten. „Sie müssen ihren Willen zur Begnadigung kundtun, denn es geht auch um die Einsicht, dass es Opfer gegeben hat.“ Eine generelle Amnestie könne es deshalb nicht geben. Oberleitner habe ein Begnadigungsgesuch eingereicht, das müssten Forer und Steger ebenfalls tun, fügt der ÖVP-Parlamentarier hinzu.
Gahr ortet derzeit auf politischer Ebene eine umsichtige Vorgangsweise von den beiden Staatspräsidenten Mattarella und Van der Bellen. „Der italienische Staatspräsident ist ein verlässlicher Partner für unsere Anliegen.“ Schritt für Schritt sei die Tirol in den vergangenen Jahrzehnten wieder zusammengewachsen, „weil die historischen Vorgänge ebenfalls umfassend bewertet und gut aufgearbeitet wurden“.
Der Landtagsfraktion Süd-Tiroler-Freiheit geht es hingegen zu langsam. Sie wollte am Mittwoch im Landtag einen Begnadigungsbeschluss umsetzen. Das hätte allerdings wohl erneut zu Verstimmungen zwischen Bozen und Rom geführt.
Sofortige Begnadigung
Die oppositionelle Süd-Tiroler Freiheit forderte mit einem Abstimmungsvorschlag die sofortige Gewährung der Begnadigung. Der Antrag wurde vom Landtag jedoch abgelehnt. Die Partei wollte mit ihrem Antrag die italienische Justizministerin Marta Cartabia und Staatspräsident Sergio Mattarella auffordern, „so schnell wie möglich die Begnadigung der Südtiroler Aktivisten vorzunehmen, damit sie in ihr Land und zu ihren Familien zurückkehren können“. „60 Jahre sind vergangen und absolut nichts hat sich geändert, wir haben nichts getan außer zu warten“, sagte die Abgeordnete der Süd-Tiroler Freiheit, Miriam Atz Tammerle.