Bezirk Imst

Femizid an 31-Jähriger in Imst: Ehemann zu 20 Jahren Haft verurteilt

Der Angeklagte bekannte sich vor Gericht schuldig.
© De Moor/TT

Der Ehegattenmord von Imst letzten Juni passt exakt in das Schema der in Österreich so überhandnehmenden Frauenmorde. 14 Femizide ereigneten sich bereits 2021 – traurigster EU-Spitzenwert.

Von Reinhard Fellner

Innsbruck, Imst – Dass letzten Juni eine 31-jährige Mutter in Imst unter den Händen ihres Ehegatten sterben musste, wühlte am Mittwoch vor dem Landesgericht nicht nur die Großfamilie des Opfers emotional auf. Zum Anlass hatten sich auch gleich mehrere Organisationen am Vorplatz in der Maximilianstraße zur Demonstration versammelt. Der Protesttag unter Leitung der Organisation „Frauenvernetzung für Begegnung und Austausch“ mit abendlichem Demonstrationszug thematisierte einen der wundesten Punkte, mit denen die Republik derzeit zu kämpfen hat: den Femizid.

📽️ Video | 20 Jahre Haft nach Mord an Ehefrau in Imst

„Ziel war, sie zum Schweigen zu bringen“

Die Ehe eines türkischstämmigen Paares in Imst stand von Anfang an nicht unter einem besonders guten Stern. Animositäten unter den Familien hatten zur Reduktion der Hochzeitsgäste geführt. Dennoch ließen die ersten Ehejahre Glück verspüren, ein gemeinsames Kind war vor drei Jahren auf die Welt gekommen. Dann der Konkurs des 34-Jährigen, der zu nicht mehr endenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten führte. Ein Umstand, mit dem die Ehefrau offenbar nur schwer zurechtkam, besonders störte die Frau, dass der Mann von der eigenen Familie Geld geborgt hatte.

Letzten Juni hatte die 31-Jährige den Mann dann um drei Uhr morgens geweckt, um mit ihm die wirtschaftliche Situation zu besprechen. Nach einem Streit, bei dem die Frau erst ein Messer aus der Küche geholt hatte, würgte der 34-Jährige seine Ehefrau und erstickte sie darauf mit einem Polster. Im Nebenraum schlief der kleine Sohn. Im gestrigen Mordprozess am Landesgericht kam Staatsanwältin Adelheid Steiner dazu nur zu einem Schluss: „Was tatsächlich zum Tod führte, war das Ziel des Angeklagten, seine Frau zum Schweigen zu bringen!“

Verteidiger Markus Abwerzger fragte nach der Motivation für den Femizid: „Es gibt für so eine Tat keine Rechtfertigung. Man kann nur Erklärungen für das Warum suchen.“ Das Mordmotiv fasste der umfassend Geständige mit „Selbstverachtung, Trauer und Wut“ zusammen. Das Opfer habe er in den Inn geworfen und dessen Handy manipuliert, um es wie einen Selbstmord aussehen zu lassen: „Ich wollte nicht, dass das Kind ohne Eltern aufwächst.“

Noch schwerer erträglich war es für die Opferfamilie wohl, vom Ex-Schwiegersohn und Schwager zu hören, dass er seine Frau „ja immer geliebt habe und noch immer liebe“. Richter Hermann Hofer: „Ja warum haben Sie es beim Würgen denn dann nicht rechtzeitig sein lassen?“ Der Angeklagte: „Es ging alles so schnell!“ Mit 6:2 der Stimmen Mord (und nicht Totschlag) für die Geschworenen. 20 Jahre Gefängnis ergingen darauf nicht rechtskräftig.

Die Leiche der 31-Jährigen wurde beim Römerbadl nördlich des Inn bei Roppen geborgen.
© Thomas Böhm

Der Begriff Femizid bezeichnet die Tötung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts. Österreich nimmt dabei derzeit den traurig(st)en Platz an der EU-Spitze ein. 31 ermordete Frauen waren es im Jahr 2020, 14 Ermordete sind es bereits wieder bis heute im Jahr 2021.

Nicht nur diese Zahlen sind für sich erschütternd. EU-weit fällt bereits auf, dass (allein) in Österreich mehr Frauen als Männer ermordet werden. Während EU-weit in den letzten Jahren nämlich im Schnitt 65 Prozent der Ermordeten Männer waren, drehte sich in Österreich das Verhältnis schon Mitte des letzten Jahrzehnts. Nach der Eurostat-Statistik waren zuletzt 2017 von 48 Mordopfern weiblich. Am gefährlichsten ist es für Österreichs Frauen dabei nicht etwa in der dunklen Seitengasse. Wie Österreichs Frauenhäuser schon öfters thematisierten, sind es die eigenen vier Wände, die die größte Gefahr in sich bergen. Die Täter: Ehemänner, aufrechte und ehemalige Lebensgefährten oder nahe Verwandte.

🎧 Podcast | Was Frauen tun sollen, wenn sie von Gewalt bedroht sind

Die Leiterin der Österreichischen Frauenhäuser, Maria Rösslhumer, appelliert an Frauen, sich zu melden, sobald sie von Drohungen, verbaler oder körperlicher Gewalt betroffen sind. Was Frauen in solchen Situationen tun können, welche Hilfe sie erhalten und welche Konsequenzen dem Täter drohen, erklärt die Expertin im ersten Teil unserer Podcast-Serie „Gegen Gewalt".

Politik muss reagieren

Das Alevitische Kulturzentrum Innsbruck, die ADHK Demokratische Frauenbewegung in Europa, das Lila-Rot Kollektiv, die Frauenvernetzung für Begegnung und Austausch, das FAK Feministisches Aktionskollektiv, die Stopp-Femizide-Gruppe, der Verein Lilith und das SKP Sozialistisches Frauenbündnis demonstrierten am Mittwoch so nicht gegen eine Einzeltat, sondern gegen ein todbringendes Phänomen, auf das die Politik weiter kaum zu reagieren scheint.

So ein Frauenmord ist kein Familiendrama, sondern Ausdruck patriarchalischer Verhältnisse.
Alena Klinger (Frauenvernetzung)

Alena Klinger (Frauenvernetzung) am Mittwoch zur TT: „Politisch werden die Morde oft nicht als Vorfälle im Privatbereich gesehen. Es ist aber wichtig, dass nun endlich zum Ausdruck kommt, dass dies keine so genannten Familiendramen, sondern Ausdruck patriarchalischer Verhältnisse sind.“ Demnach liegt es in der Verantwortung von Politik und Gesellschaft, patriarchalische und sexistische Strukturen, die zu solchen Taten führen oder sie emotional ebnen, zurückzudrängen.

Die durchgängige Umsetzung der 2014 in Kraft getretenen „Istanbulkonvention“ – Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt – wäre da laut Melike Tohumcu (Frauenvernetzung) schon lange viel stärker voranzutreiben: „Die Konvention darf kein Lippenbekenntnis bleiben. Das Budget für das Frauenministerium muss drastisch erhöht werden. Wir benötigen eine Sensibilisierung zum Thema, mehr Frauenhäuser, strukturelle Veränderungen bei den Behörden bis hin zur spezialisierten Ausbildung der Polizei.“ So seien Femizide letztlich auch Ausfluss politisch struktureller Fragen. Geschlechterspezifische Stereotypen müssten durchbrochen werden – eine Frau dürfe nicht weiter als Eigentum oder Untergebene des Mannes gesehen und derart zum Opfer werden.

Kundgebung gegen Femizide vor dem Landesgericht Innsbruck.
© Foto TT/Rudy De Moor

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