Rendi-Wagners Wiederwahl: Letzten Endes bleibt aber ein Zweifel
Rendi-Wagner wird am Samstag zum zweiten Mal zur SPÖ-Chefin gekürt werden. Doch wird sie die Partei in die nächste Wahl führen?
Von Michael Sprenger
Wien – „Es fühlt sich saugut an, von euch umarmt zu werden. Ich möchte euch ganz fest umarmen, jeden Einzelnen von euch.“ Diese Worte fand Pamela Rendi-Wagner, als sie von den Genossinen und Genossen lautstark begrüßt wurde. Damals am 24. November 2018 in Wels. Sie sollte an diesem Parteitag als erste Frau in der Geschichte der Sozialdemokratie an die Spitze der Partei gewählt werden. 98 Prozent der Delegierten sorgten dafür, dass Rendi-Wagner Stunden später einen Luftsprung wagen sollte.
Doch die Euphorie verblasste rasch. Die Vorsitzende konnte der Partei – nach dem Verlust des Kanzleramtes und dem unrühmlichen Abgang von Christian Kern – kein neues Selbstbewusstsein geben. Sie selbst spürte, dass sie in der Partei keinesfalls so geliebt wird, wie der Zuspruch am Parteitag glauben machen wollte. Die Parteichefin war nicht zuletzt ob ihrer fehlenden Hausmacht verunsichert. Immer mehr versuchte sie sich in der Parteizentrale abzukapseln. Sie erhoffte sich im Umfeld von Nationalratspräsidentin Doris Bures und einem Teil der Wiener SPÖ Rückendeckung.
Die ausgebildete Medizinerin hat immerzu eine gewinnende Art, aber sie ist keine Vollblutpolitikerin. Dies hätte ausgebügelt werden können, und zwar durch ein gutes Team in der Löwelstraße. Doch aus der Parteizentrale wollten keine neuen Ideen, keine Impulse, keine Schritte der Erneuerung kommen. Die Partei wirkte ausgelaugt als dann, ein halbes Jahr nach dem Parteitag, die Innenpolitik auf den Kopf gestellt worden ist. Das Bekanntwerden des Ibiza-Videos war für die SPÖ alles, aber kein Segen. Als dann das Debakel bei der Nationalratswahl jenem bei der EU-Wahl folgte und Rendi-Wagner der enttäuschten Basis im Festzelt vor der Löwelstraße „die Richtung stimmt“ zurief, wollte keiner mehr einen Euro auf einen langen Verbleib der Vorsitzenden an der Parteispitze wetten.
Dass aber am Samstag die Wiederwahl wohl ohne Murren und ohne Widerspruch über die Bühne gehen wird, ist im Rückblick die eigentliche Überraschung. Die zweifache Mutter ist keine, die schnell das Handtuch wirft – und sie kann überraschen. Knapp vor Ausbruch der Pandemie versuchte sie mit einer Mitgliederbefragung die Vertrauensfrage zu stellen. Die Männerwelt in der Partei reagierte genervt. Doch die Vorsitzende setzte sich durch. Über 70 Prozent der SPÖ-Mitglieder stimmten für ihren Verbleib. Die Zweifler sind seither stiller, wenn auch nicht überzeugt.
Während der Pandemie konnte Rendi-Wagner ihre fachliche Expertise ausspielen, die anhaltende Fehlerkette der ÖVP sorgt für bessere Umfragewerte, der Abstand zur Kanzlerpartei verringert sich von Monat zu Monat. Die SPÖ sieht sich in Schlagdistanz zur ÖVP. Doch letzten Endes bleibt ein Zweifel. Kann die SPÖ mit Rendi-Wagner an der Spitze die Nationalratswahl – und diese Wahl könnte schon bald stattfinden – gewinnen? Beim Parteitag in Wels war sie sich sicher: „Ich werde mit größter Entschlossenheit dafür kämpfen, dass wir wieder stärkste politische Kraft in diesem Land werden und ich mit eurer Unterstützung die erste Bundeskanzlerin dieser Republik werde. Ich verspreche euch, ich werde rennen, und ich bitte euch, rennt mit mir, für die Menschen.“