„Gefangen im Netz“: Schockierendes Filmexperiment ab Sonntag online
„Warum sollte es mich stören, dass du erst zwölf bist?“ Das sagt einer der Männer im Dokumentarfilm „Gefangen im Netz“, in dem sich drei Schauspielerinnen in Chatforen als Kinder ausgeben. Die Doku warf in Tschechien ein Schlaglicht auf Kindesmissbrauch im Netz. Nun kommt sie nach Österreich.
Wien – Die Dimension des Kindesmissbrauchs in der Gesellschaft rückt immer wieder durch große Kriminalfälle in den Fokus. Doch auch abseits dieser lauert Gefahr, nicht zuletzt im Internet. Um zu zeigen, wie dreist die Täter hier die Unerfahrenheit ihrer kleinen Opfer ausnutzen, haben Filmschaffende in Tschechien ein Experiment gewagt. Ab Sonntag ist der daraus entstandene Dokumentarfilm „Gefangen im Netz“ nun kostenpflichtig im Internet abrufbar
Dabei suchten die Macher drei sehr jung aussehende, aber volljährige Frauen, die sich auf Fakeprofilen in gängigen sozialen Netzwerken als zwölfjährige Mädchen ausgeben sollten. Die Filmleute bauten in den Kulissen eines Studios drei Kinderzimmer nach. Von dort aus sollten die Schauspielerinnen zehn Tage lang online gehen und schauen, von wem sie kontaktiert werden.
2458 Täter
Das Ergebnis: Es meldeten sich 2458 Männer – „mit eindeutigen Absichten“, wie es heißt. Die Kamera war dabei und verfolgte, welchen Verlauf die auch per Webcam geführten Chats nahmen. Regisseurin Barbora Chalupová, die das Projekt gemeinsam mit Vít Klusák realisiert hat, zeigt sich überrascht vom Tempo, mit dem die Täter die Mädchen kontaktierten. „Nach ein paar wenigen Eröffnungsfloskeln kamen sie sofort zur Sache: zu expliziten sexuellen Angeboten“, sagt sie. Auch die Fülle der Nachrichten habe sie erstaunt: „Die Schauspielerinnen hatten kaum Zeit zu antworten, geschweige denn all die Chat-Anfragen zu bedienen.“
Trailer | „Gefangen im Netz“
Im Film stellt sich das etwa so dar: „Stört es dich nicht, dass ich 12 bin?“, schreibt eines der Mädchen im Chat mit einem Mann. „Wenn das unser Geheimnis bleibt, dann nicht“, antwortet dieser. Andere Männer verhalten sich ähnlich und antworten auf entsprechende Fragen etwa: „Das macht nichts, ich war auch mal zwölf.“ Oder einfach: „Warum sollte es?“
Die Filmleute betonen, dass verschiedene Experten die Darstellerinnen während des Drehs begleitet und betreut hätten. So kommen in der Doku beispielsweise eine Sexologin und ein Anwalt zu Wort. Die Sexologin sagt, die Täter gäben sich der Illusion hin, dass die Mädchen den Kontakt wollten, weil diese nicht aktiv Widerstand leisten. Das unterwürfige Verhalten der Mädchen im Chat sei jedoch schlicht darauf zurückzuführen, dass die Männer eben viel älter und körperlich überlegen seien.
Material landete bei der Polizei
Der Anwalt spricht mit Blick auf die Chatpartner von einer „Flut aller denkbaren Straftaten“ in Bezug auf Kinder. Am Ende jedoch seien „aus den Jägern Gejagte“ geworden, heißt es von den Filmleuten. Das gedrehte Material sei der tschechischen Polizei zur Strafverfolgung überlassen worden.
Neben der Vollversion gibt es auch eine um explizite Szenen gekürzte Schulfassung der Doku. So soll Schulklassen ermöglicht werden, sich mit dem Thema Cybergrooming auseinanderzusetzen. Eine Botschaft der Filmleute lautet dabei: Die Täter sind schuld, nicht die Kinder, die ihnen ins Netz gehen. (dpa/APA, TT.com)