„Rut“: Im Garten gewinnt das Gefällige
Uraufgeführt wurde „Rut“ 2018 in Konstanz. Inzwischen ist Nix Intendant der Tiroler Volksschauspiele Telfs. Dort kam das Stück inszeniert von Nicola Bremer nun zur österreichischen Erstaufführung.
Telfs – Über die Bibel als einen Muttertext der abendländischen Literatur ließe sich viel sagen. Bertolt Brecht, wahrlich kein überfrommer Betbruder, beispielsweise hat bisweilen verblüffend wortgetreu im biblischen Reservoir gewildert. In der „Dreigroschenoper“ etwa klingt unter dem „Mond über Soho“ das alttestamentarische Buch „Rut“ an – und damit eine Schicksalsgemeinschaft in bedrohlichen Zeiten: „Wo du hingehst, da will auch ich hingehen. Und wo du bleibst, da will auch ich sein.“
Mit seinem Theatertext „Rut“ holt Christoph Nix diese schönen Zeilen zurück in den Urkontext. Überhaupt bleibt das Stück nah an der biblischen Vorlage. Es geht um zwei Frauen auf der Flucht aus einem besetzten Land ins andere, um die Entbehrungen unterwegs, die Ablehnung als Auswärtige, um Fremdbestimmung und Selbstbehauptung.
Uraufgeführt wurde „Rut“ 2018 an Nix’ früherer Wirkstätte in Konstanz. Inzwischen ist Nix Intendant der Tiroler Volksschauspiele Telfs. Dort kam das Stück inszeniert von Nicola Bremer nun zur österreichischen Erstaufführung.
Michaela Klamminger spielt Rut und Naomi, die sich aus Moab nach Betlehem flüchten. Genauer gesagt: Vornehmlich erzählt sie davon in frontal ins Publikum gefauchten Versen. Die Sätze sind schön. Das Erzählte ist drastisch. Aber szenisch verliert sich diese Wucht schnell. Es läge nahe, das Stück als Parabel auf aktuelle Katastrophen zu lesen, auf Geflüchtetenschicksale und toxische Männerwelten. Wirklichen Anlass dazu liefert Bremers Inszenierung nicht: Das Gesagte bleibt zumeist schön Gesagtes.
Der Klostergarten als Spielort allerdings ist eine Entdeckung. Bremer nützt, was sich anbietet – und leuchtet Bäume und Gartenlaube expressiv aus, lässt es rauchen und Knallerbsen knallen. So entstehen schöne Bilder: Etwa wenn sich Ben Wood, der „Rut“ als geflügeltes Teufelchen musikalisch begleitet, mit Gitarre und Kippe unter einen Baum setzt. Da wähnt man sich kurz bei Kusturica. Auch Michaela Klamminger hat starke Momente. Immer dann, wenn sie aus der Erzählerinnenrolle fällt und sich von den Worten löst, wenn sie von der Vortragenden zur von großen und kleinen Tyrannen getriezten Figur wird. Dann wird es gefährlich. Dann könnte es weh tun. Doch zumeist werden Schmerz und Gefahr an diesem Abend nur behauptet. Und am Ende verklingt „Heidschi Bumbeidschi“. Das Gefällige hat gewonnen. Einmal mehr. (jole)