Abschlussbericht: Ibiza-Ausschuss auf über 870 Seiten
Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl hat zum Ibiza-U-Ausschuss ein heiß-kaltes Urteil abgegeben: Er sieht keinen „konkreten Deal“ mit der Novomatic, aber gegenseitige Abhängigkeiten mit der früheren ÖVP-FPÖ-Regierung.
Wien – Wolfgang Pöschl, Verfahrensrichter des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Causa Ibiza, hat seinen Abschlussbericht fertig. Auf über 870 Seiten zieht er Bilanz über den U-Ausschuss. Ein Auszug aus dem Konvolut, das der TT vorliegt.
Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Straches Satz auf Ibiza – „Novomatic zahlt alle“ – beschreibe treffend die Geschäftstaktik des Unternehmens, beginnt Pöschl die Zusammenfassung des Berichts. „Die Novomatic verfolgte im Sinn des Unternehmenswohls – auch im Untersuchungszeitraum – eine langfristig angelegte Strategie, das politische Umfeld positiv zu stimmen.“ Teil dieser Strategie sei es etwa gewesen, die Kooperation mit Vereinen zu suchen. „Dabei wurde auch mit Vereinen zusammengearbeitet, die politischen Parteien, insbesondere den Regierungsparteien, nahestanden.“
Für viel Aufruhr sorgte im U-Ausschuss das Alois Mock Institut, dem Ausschuss-Vorsitzender und ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka vorsteht. Dazu heißt es im Bericht: „Insgesamt hat das Beweisverfahren keine Hinweise zu Geld- oder Sachleistungen an das Alois Mock Institut sowie an die anderen ÖVP-nahen Vereine ergeben, die über die Förderung des Vereinszwecks in Form von Sponsorings oder Kooperationen und das Entgelt für Inserate hinaus der ÖVP zugutekommen sollten, um deren Bundespolitiker in Richtung der zu untersuchenden Beweisthemen zu beeinflussen.“
Andernorts fällt Pöschls Resümee kritischer aus: So habe es ein „gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis“ zwischen der früheren türkis-blauen Regierung und der Novomatic gegeben, auch wenn „ein konkreter Deal nicht mit Sicherheit festgestellt werden konnte“. Mit einem „Deal“ der früheren Koalitionspartnern ÖVP und FPÖ mit der Novomatic ist anhand von Angaben in einer Anzeige gemeint, dass es Glücksspiellizenzen im Gegenzug für das mit der Republik abgestimmte Stimmverhalten in der Hauptversammlung der Casinos Austria AG (Casag) gegeben habe. „Dieses besondere (Abhängigkeits-)Verhältnis führte nicht nur zur Vorstandsbestellung des FPÖ-Mannes (Peter) Sidlo, sondern ermöglichte der Novomatic Mitsprachemöglichkeiten im Bereich des Glücksspiels und die Aussicht auf eine wunschgemäße Änderung des Glücksspielgesetzes.“
📽️ Video | U-Ausschuss-Bericht vorgelegt
Im Fall Sidlo fällt die Kritik besonders scharf aus. Die Vorstandsbestellung von Sidlo sei auch mit der Vorstandsbestellung des ÖVP-nahen Thomas Schmid in der Staatsholding ÖBAG verschränkt gewesen, schreibt der Verfahrensrichter. „Insgesamt ergibt die Bestellung Sidlos zum Vorstandsmitglied der Casag und deren Vorgeschichte das Bild einer geradezu unabänderlichen Willensdurchsetzung auf Regierungsebene, gerade diesen Mann in diese Position zu bringen“, steht in dem Bericht. Und: „Dieses überaus hohe Engagement hauptsächlich vonseiten (des damaligen Vizekanzlers) Straches, unterstützt von Schmid (damals Generalsekretär im Finanzministerium) und Ex-ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger, lässt sich mit einem einfachen Freundschaftsdienst an Sidlo, mag er auch durch Parteizugehörigkeit motiviert gewesen sein, nicht erklären. (...) Es gab somit sehr wahrscheinlich einen ‚Hintergrunddeal‘.“
Die Reaktionen auf den Abschlussbericht sind unterschiedlich ausgefallen. SPÖ und NEOS sehen ihre Vorwürfe bestätigt, die FPÖ kritisierte, dass der Bericht nicht scharf genug ausgefallen sei. Eine Bestätigung ihrer eigenen Position sieht auch die ÖVP, die sich entlastet fühlt und den Verlauf des Ausschusses erneut in Frage stellt. Die einzelnen Fraktionen haben nun zwei Wochen Zeit, ihre Sicht auf die Befragungen in eigenen Berichten wiederzugeben. (sas)