Kulturheft Quart: Pas de deux von Kopf und Bauch auf 131 Seiten
Quart Nr. 37 führt auf einen Berliner Friedhof genauso wie über den Brenner. Zu Wasserfällen, Wölfen und Tauchgängen in die Vergangenheit.
Von Edith Schlocker
Innsbruck – „Quart ist ein Pavillon auf der Biennale in Magazinform. Sie können Quart aufschlagen und hineingehen. Sie kommen als anderer wieder heraus.“ Das behauptet jedenfalls Mirko Bonné, der u. a. im Heft Nr. 24 ausgiebig über Kaspar Hausers Notebook polemisiert hat. Und er hat mit seiner doch recht kühnen Behauptung angesichts der soeben erschienenen Nr. 37 dieser Tyrolensie der besonderen Art gar nicht so Unrecht.
Zelebriert wie immer als kluges Zusammenspiel der linken mit den jeweils rechten Seiten. Was die Quart-Macher Heidi Hackl und Andreas Schett wohl dem menschlichen Gehirn abgeschaut haben, dessen linke Hälfte bekanntlich für den Verstand, die rechte für Kreativität und Emotionen zuständig ist. Wobei bei Quart die Zuordnung von Kopfigem und Bauchigem in den meisten Fällen nicht wirklich eindeutig ist. Nicht zuletzt, da die linken Seiten diesmal als Architektur-Gruppenausstellung daherkommen. Angelegt als zeichenhaft verdichtete Reaktion auf die rechtsseitig zu lesenden Texte, was genauso ein existenziell ausholender „Fließtext“ von Laura Freudenthaler wie ein Essay über die „Innsbrucker Brillenversuche“ des Wahrnehmungspsychologen Ivo Kohler sein kann.
Tipp
Quart Heft für Kultur Tirol Nr. 37
Haymon Verlag, 131 S., 16 Euro
Das von Nicola Weber mit dem Architekten Gion A. Caminada geführte „Brenner-Gespräch“ fand im Graubündner Val Lumnezia statt, um „imaginäre“ Folklore in Sachen Musik geht es bei Berthold Seliger. Die obligate Quart’sche „Landvermessung“ durch Sandra Gugić konnte aus bekannten Gründen diesmal nur virtuell stattfinden und endet auf einem Berliner Friedhof. Der Frage, wie Hebbels flammender Appell an Kaiser Ferdinand die Geschichte rund um die Revolution von 1848 beeinflusst haben könnte, geht Klaus Zeyringer nach, Rudolf Hildebrand erzählt aus dem Leben Franz Michael Felders, Simone Mair, Lisa Mazza und Nicolò Degiorgis unternehmen einen Streifzug durch Südtiroler Bergbauernhöfe.
Eine wesentliche Rolle spielt in Quart immer die bildende Kunst. Angefangen mit der obligaten Originalbeilage, die diesmal ein von Oliver Laric zu einem Gewirr feiner Striche aufgelöster Wolfskopf ist. Voller Kraft ist die auf mehreren Seiten ausgebreitete Bilderstrecke von Beatrix Sunkovsky, in deren Wasserfälle Ferdinand Schmatz schreibend eintaucht. Von klaren Linien und Farben dominiert kommt im Gegensatz dazu Nick Oberthalers Kunst daher, des Gestalters des Covers des aktuellen Quart. Und mit dem freien Blick des Zugereisten taucht schließlich Florian Waldvogel in die Kunstprovinz Tirol ein.
Haymon Verlag, 131 S., 16 Euro.