New York

Lokalaugenschein bei der UNO: „Die Werte sind noch immer richtig“

Außenminister Alexander Schallenberg redet vor der UNO (Archivbild von 2019).
© AFP/Eisele

Eine Weltbühne und viele Nebenschauplätze: Lokalaugenschein am Tummelplatz der Diplomaten.

Von Floo Weißmann

New York – Außenminister Alexander Schallenberg hat gestern Nacht vor den Vereinten Nationen den Westen aufgerufen, sich nicht aus der Welt zurückzuziehen. Manche hätten Afghanistan schadenfroh als Niederlage des Westens beschrieben, sagte er laut Rede-Manuskript. Afghanistan habe viele bittere Lektionen gelehrt, aber: „Wir sollten nicht in Miesmacherei, Selbstzweifel und Hoffnungslosigkeit verfallen.“

„Die Tage einer moralischen Kanonenboot-Politik mögen vorbei sein“, räumte er ein. Aber die Werte, für die die freie Welt gekämpft habe, seien immer noch die richtigen – von Meinungs- und Glaubensfreiheit bis zu Demokratie. Es ist ein Kernanliegen von Schallenberg, das er kürzlich fast wortgleich im TT-Interview geäußert hatte.

Tag drei der Generaldebatte

Rückblende: Schwüle schon zu Sonnenaufgang, als wollte das Wetter die Politiker und Diplomaten in New York an den Klimawandel erinnern. In den Straßen Hupen, schwarze SUV, Anzugträger mit Kaffeebechern und schnellem Schritt, Sicherheitsleute mit Ohrknöpfen. Es ist der dritte Tag der UNO-Generaldebatte, bei der jedes der fast 200 UNO-Mitglieder 15 Minuten Zeit hat, sich und seine Sicht der Welt darzustellen.

An Österreichs Rede wird am Morgen noch gearbeitet. „Man überlegt sich, wer aller schon an diesem Rednerpult gestanden ist“, erzählt Schallenberg der TT. Er empfinde Respekt vor dem Ort und der Institution. Vor allem für kleine Staaten wie Österreich gilt dem Minister zufolge: „Wir müssten die UNO erfinden, gäbe es sie nicht schon.“

Die UNO ist das einzige Forum, bei dem alle – vom Inselstaat bis zur Supermacht – mitmachen können. Allerdings erreichen nur die Reden der Großmächte ein breiteres Publikum. Im Saal sitzen zumeist diplomatische Mitarbeiter, die protokollieren, was die anderen Länder sagen. Die Politik tummelt sich indessen in Besprechungsräumen, Foyers und Restaurants. Wer Verbündete sucht, Infos begehrt oder eine Idee testen will, kann nirgendwo sonst so viele Kontakte treffen.

Österreich als diplomatische Drehscheibe

Für Österreich sind Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Kanzler Sebastian Kurz und Schallenberg im Einsatz. Laufend werden Termine verschoben, zusätzliche Treffen in den Tag gequetscht. Für die mitgereisten Journalisten gibt es Briefings. Botschaft: Österreich als diplomatische Drehscheibe.

Demnächst sollen die Atomgespräche mit dem Iran weitergehen – und zwar wieder in Wien, berichtet Schallenberg nach dem Treffen mit seinem iranischen Amtskollegen. Es herrsche noch immer großes Misstrauen, aber angesichts der Fortschritte beim iranischen Atomprogramm drängt die Zeit. Dass Österreich dem Iran eine Million Impfdosen spendet, werde „wahnsinnig hoch eingeschätzt“, verweist Schallenberg auf die Impfdiplomatie der Bundesregierung.

Zweitens kündigt der Außenminister eine internationale Konferenz zu Belarus in Wien an, an der „alle interessierten Kräfte“ teilnehmen sollen. Viele Details sind noch offen, aber der Termin steht bereits: 22. November.

Wenige Stunden vor Schallenbergs Weg zum Rednerpult der UNO ist seine Rede dann fertig. Demnach unterstützt Österreich die von Generalsekretär António Guterres vorgelegte Reform der UNO, appelliert an muslimische Länder, auf die Taliban einzuwirken, und fordert eine globale Impfanstrengung.

Briefing für die mitgereisten Journalisten an der österreichischen Vertretung in New York.
© APA/Lechner

In einem Wimpernschlag seien Jahrzehnte hart erkämpfter Entwicklung verloren gegangen, heißt es im Manuskript. „Und wir werden noch mehr verlieren, wenn wir es nicht schaffen, dass alle so rasch wie möglich Zugang zu Impfstoffen haben.“

Ein weiteres Kernthema sind für Schallenberg die neuen Technologien. Künstliche Intelligenz und Quantencomputer werden die Art, wie wir leben, fundamental verändern, sagt er. Österreich drängt auf ein Verbot von autonomen Waffensystemen, vorige Woche gab es dazu eine Konferenz in Wien.

Vor der UNO legte Schallenberg gestern nach und schloss den Bogen zu den Werten: „Wir werden sicherstellen, dass wir durch Digitalisierung die menschliche Widerstands- und Vorstellungskraft nützen – anstelle der Kraft von Kontrolle, Überwachung und Unterdrückung.“

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