Polizist wegen Vergewaltigung in U-Haft: Kollege des Everard-Mörders
Nach dem Mord an Sarah Everard erschüttert der nächste Polizeiskandal die britischen Behörden: Ein 46-jähriger Polizist wurde am Samstag wegen Vergewaltigung suspendiert und festgenommen.
London – Wenige Tage nach dem Urteil gegen den mutmaßlichen Mörder der Londonerin Sarah Everard ist ein Kollege dieses Polizisten wegen Vergewaltigung angeklagt worden. Der 46-Jährige wurde am Montag in Untersuchungshaft genommen. Er arbeitete zuletzt in derselben Abteilung wie der zu lebenslanger Haft verurteilte Beschuldigte im Fall Everard, wie Scotland Yard mitteilte. Beide waren für den Schutz des Parlaments und diplomatischer Gebäude in London zuständig.
Der Fall soll sich am 4. September 2020 in der Stadt St Albans nordwestlich von London ereignet haben, als der Mann nicht im Dienst war. Der Polizist, der am Samstag festgenommen und suspendiert wurde, wies die Vorwürfe kategorisch zurück. Er hatte die Frau über eine Online-Plattform kennengelernt und sich mit ihr zu einem Drink verabredet.
Johnson: Polizei nimmt Gewalt gegen Frauen nicht ernst genug
Premierminister Boris Johnson forderte eine Veränderung in der Polizeikultur. "Polizisten müssen mit diesen Fällen richtig umgehen, sie ernst nehmen, und ich möchte eine viel kürzere Zeit zwischen der Anzeige einer Straftat und einer Festnahme, zwischen einer Festnahme und einer Anklage sowie zwischen einer Anklage und einer Verurteilung", sagte Johnson. Nötig seien zudem mehr Videoüberwachung und Straßenbeleuchtungen sowie mehr weibliche Polizistinnen. Am Wochenende hatte Johnson der Polizei vorgeworfen, Gewalt gegen Frauen nicht ernst genug zu nehmen.
Eine unabhängige Untersuchung zu dem Mord an Everard lehnte der Premier jedoch ab. Die Vorsitzende des Innenausschusses im Parlament, Yvette Cooper von der oppositionellen Labour-Partei, warf der Regierung daraufhin vor, sie stecke den Kopf in den Sand. Es müsse geklärt werden, wie so ein gefährlicher Mensch wie der mutmaßliche Everard-Mörder nicht aufgefallen sei, sagte Cooper dem Sender BBC Radio 4.
Unter Vorwand von Polizisten entführt, vergewaltigt und ermordet
Sarah Everard war im März entführt, vergewaltigt und ermordet worden. Später stellte sich heraus, dass der nun erstinstanzlich Verurteilte, ein Polizist, sie wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Corona-Regeln zum Schein festgenommen hatte. Anschließend verschleppte, vergewaltigte und tötete er die 33-Jährige. Deswegen wurde er vergangene Woche zu lebenslanger Haft ohne Aussicht auf Entlassung verurteilt. Der Fall ließ das Vertrauen in die britische Polizei bröckeln und löste eine Welle der Empörung über Gewalt gegen Frauen in dem Land aus.
Kritiker hatten nach dem Mord an Everard eine frauenfeindliche Kultur innerhalb der Polizei angeprangert. So berichten Insider, dass Kollegen, die sich Übergriffe zuschulden kommen lassen, gedeckt würden. Der jüngste Fall dürfte die Debatte weiter anheizen. Die Londoner Polizeichefin Cressida Dick betonte: "Ich verstehe vollkommen, dass die Öffentlichkeit ebenfalls besorgt ist." (APA, dpa)