Brexit

Streit um Brexit-Regelungen für Nordirland: Misstrauen wächst

Der britische Premierminister Boris Johnson
© OLI SCARFF

Zwischen der EU und Großbritannien kehrt weiter keine Ruhe ein. Die Briten kämpfen mit Folgen der Entscheidung, die EU zu verlassen, und fordern Änderungen gemeinsamen Vereinbarungen. Nun lässt ein ehemaliger Chefberater von Premier Johnson aufhorchen: London hatte gar nicht erst geplant, sich an diese Vereinbarungen zu halten.

London – Kurz vor der geplanten Präsentation von Vorschlägen zur Lösung des Brexit-Streits um Nordirland durch die EU-Kommission wächst das Misstrauen zwischen London und EU-Vertretern. Irlands Vizeregierungschef Leo Varadkar warnte die britische Regierung am Mittwoch davor, weltweit Vertrauen zu verspielen, sollte sich herausstellen, dass sie das als Teil des Brexit-Abkommens ausgehandelte Nordirland-Protokoll niemals umsetzen wollte.

Dann müsse "die Botschaft in alle Welt gehen, dass dies eine britische Regierung ist, die ihr Wort nicht unbedingt hält und die eingegangene Vereinbarungen nicht unbedingt einhält", sagte Varadkar in einem Interview der irischen Rundfunkanstalt RTÉ.

Der EU-Brexit-Beauftragte Maros Sefcovic wollte noch am Abend detaillierte Vorschläge präsentieren, wie die durch das Protokoll entstandene Probleme zwischen Nordirland und dem übrigen Vereinigten Königreich gelöst werden können. Kontrollen, beispielsweise bei Lebensmitteln und Medikamenten, könnten Berichten zufolge deutlich reduziert werden. Brüssel will mit den Vorschlägen in eine neue Verhandlungsrunde mit London eintreten. Für die Menschen in Nordirland hatte der EU-Austritt bereits spürbare Konsequenzen, es kam zu Handelsproblemen und teilweise leeren Supermarktregalen.

Zweifel an der Aufrichtigkeit der britischen Regierung säte der ehemalige Chefberater des britischen Premierministers Boris Johnson, Dominic Cummings. Der Plan sei gewesen, eine Einigung bei den Austrittsgesprächen mit Brüssel zu erzielen, um die Parlamentswahl 2019 zu gewinnen und dann "die Teile, die uns nicht gefallen", loszuwerden, schrieb der einst zweitmächtigste Mann im Londoner Regierungssitz Downing Street mit Blick auf das Nordirland-Protokoll am Dienstagabend auf Twitter.

Aus London hieß es, man werde sich "konstruktiv" mit den Vorschlägen aus Brüssel auseinandersetzen. Brexit-Minister David Frost hatte jedoch das Protokoll in einer Rede am Dienstag bereits für gescheitert erklärt und gefordert, es durch eine neue Vereinbarung zu ersetzen. "Das Protokoll funktioniert nicht", sagte Frost und drohte zum wiederholten Mal, die Vereinbarung durch einen Notfallmechanismus teilweise außer Kraft zu setzen. Er betonte jedoch, die britische Regierung habe trotz Zweifeln anfangs versucht, das Protokoll umzusetzen.

Mit dem Nordirland-Protokoll gelang während der britischen Austrittsverhandlungen der Durchbruch im Streit um die frühere Bürgerkriegsregion. Das Abkommen sieht vor, dass die britische Provinz weiterhin den Regeln des EU-Binnenmarkts und der Zollunion folgt. Damit sollen eine harte Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Republik Irland - und ein neuerlicher Ausbruch des Konflikts um eine Wiedervereinigung der Insel - verhindert werden.

Notwendig werden dadurch aber Kontrollen zwischen dem Rest des Vereinigten Königreichs und Nordirland. London will sich nämlich nicht mehr an EU-Standards binden. Waren, die von England, Schottland und Wales nach Nordirland gelangen, müssen nun angemeldet und teilweise kontrolliert werden. (APA, dpa)

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