Filmkritik

„The Last Duel“: Ritterliches Triell um die Wahrheit

Jacques Le Gris (Adam Driver, links) und Sir Jean de Carrouges (Matt Damon) duellieren sich.
© imago

#MeToo im Mittelalter: Ridley Scotts „The Last Duel“ ist ein raffinierter Ritterfilm über toxische Männlichkeit.

Von Marian Wilhelm

Innsbruck – Die Vergewaltigung einer Frau sei „ein Eigentumsdelikt gegenüber ihrem Vormund“. Mit diesem Satz befindet sich „The Last Duel“ tief im sprichwörtlichen wie historischen Mittelalter. Und doch ist Ridley Scotts Ritterepos ein ebenso aktueller wie raffinierter Gegenwartsfilm. Erst die Distanz schafft Klarheit, während gleichzeitig das fremde Setting die schematischen Konturen verwischt.

Wir befinden uns im Jahr 1386, und dem Script liegt ein Sachbuch des Mittelalter-Literaturprofessors Eric Jager zugrunde: „The Last Duel: A True Story of Trial by Combat in Medieval France“. Adaptiert hat es die 61-jährige New Yorkerin Nicole Holofcener zusammen mit Ben Affleck und Matt Damon, die 1998 den Drehbuch-Oscar für „Good Will Hunting“ gewonnen haben.

Natürlich haben sich die beiden Männer ihre Rollen auf den Leib geschrieben. Affleck ist ein dekadenter Graf mit lächerlichem Haarschnitt, nur an seinem Vergnügen interessiert. Damon übernimmt eine der drei Hauptrollen als Edelmann Jean de Carrouges. Dieser später zum Ritter geschlagene, niedere Adelige im französischen Königreich ist ein erfolgreicher, aber mäßig intelligenter Krieger in den vielen Feldzügen der Zeit.

📽 Trailer – "The Last Duell"

Der besondere Dreh des Films ist eine Dreiteilung, die den Hauptfiguren folgt. Zuerst wird „die Wahrheit aus der Sicht von Jean“ erzählt, dann aus der Sicht seines gebildeten Widersachers Jacques Le Gris (perfekt besetzt mit Adam Driver), er wird der Vergewaltigung bezichtigt.

Erst das Finale dieses Triells um die Wahrheit mit drei Beteiligten gehört Marguerite de Carrouges, großartig gespielt von Jodie Comer („Killing Eve“). Bei ihr hat das Wort „Wahrheit“ im Zwischentitel eine Sekunde länger Bestand. Das nuancierte Triptychon ist dabei weniger eine perspektivische Relativierung, wie im Kurosawa-Klassiker „Rashomon“, sondern eher eine geschickte sequenzielle Aufdeckung des Verbrechens-Puzzles.

Entscheidende Szenen wiederholen sich dreimal, mit leichten Variationen, gehen weiter als zuvor, und die Geschichte der Vergewaltigung komplettiert sich erst in der Perspektive des Opfers.

Am Ende dieses erstaunlich bildgewaltigen Burgenkammerspiels und Justiz-Thrillers (Kamera: Dariusz Wolski) steht das titelgebende Duell, das die juristische Entscheidung der „höheren Macht Gottes“ bzw. der brutalen Kraft der beiden toxischen „Ehrenmänner“ überträgt.

Es ist fantastisch, wie präzise die Psychologie der Figuren in diesem Mainstream-Me- Too-Film zu Tage tritt, wie die Sympathien verschoben und aktuelle Werte des Jahres 2021 in den historischen Kontext eingeschrieben werden.

Regisseur Ridley Scott hat schon seit seinen Anfängen mit „Alien“ immer wieder spannende Frauenfiguren („G.I. Jane“) und Geschichten („Thelma & Louise“) auf die Leinwand gebracht. Nun präsentierte der produktive 83-Jährige ein aktuell-universelles Historien-Drama. Und genauso wie Marguerite de Carrouges straft Hollywood die bildungsbürgerlichen Kritiker wieder einmal Lügen.

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