Serie

Hochglanzbilder von moralischen Abgründen: „Die Ibiza-Affäre" startet als Serie

Grindig, bedrohlich, bedroht: Nicholas Ofczarek in „Die Ibiza Affäre“.
© W&B TV/Sky

Innsbruck – „Red Alert“ ist ein bierernster Kalter-Krieg-Reißer. Stanley Kubrick wollte ihn Anfang der 1960er-Jahre verfilmen. Und verzweifelte. Erst als er den Irrwitz des nuklearen Wettrüst-Irrsinns herausarbeitete, gelang ihm mit „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ ein großer Wurf: eine Satire, deren dunkelschwarzer Witz ziemlich nah an der Wahrheit war.

Zugegeben: Mit einem finalen Atompilz lassen sich die Erschütterungen nach dem Ibiza-Video nicht vergleichen. Aber der Vierteiler „Die Ibiza Affäre“, der die Entstehung des Videos und dessen ein Polit-Beben verursachende Veröffentlichung im Mai 2019 detailliert und sanft fiktionalisiert nachzeichnet, folgt Kubricks Vorgabe trotzdem: Er erzählt eine Farce schonungslos als Farce. Man lacht – und schämt sich dafür, weil einem das Lachen ja im Halse stecken bleiben sollte. Man folgt dem Geschehen gespannt, obwohl man weiß, was passieren wird – und ist darüber verblüfft, dass einen das Bekannte noch immer dermaßen verblüffen kann.

„Die Ibiza Affäre“ ist schön gemacht: eine Hochglanzproduktion über flache Moral und Abgründe, die – der Verdacht liegt nahe – hierzulande ziemlich alltäglich sind. Regisseur Christopher Schier zieht alle Register internationaler High-End-Serienkunst: schnelle Schnitte, spektakuläre Perspektiven, ironische Songs. Nicholas Ofczarek spielt den Detektiv Julian H. – grindig, potenziell bedrohlich und hochgradig bedroht. Einer, der seine Nudeln mit dem Löffel isst. Mit einem Anwalt (David A. Hamade) – ein Selfmade-Snob, der sein Gewissen entdeckt – organisiert er die Video-Falle samt fingierter Oligarchin.

Ein späterer Kurzzeit-Vizekanzler trampelt mit der Eleganz eines Elefanten hinein. Andreas Lust verkörpert HC Strache glaubhaft als vornehmlich von sich selbst beeindruckter Beinahe-Profi. Eigentlich müsste das alles schiefgehen. Der Plan und die Serie. Aber beides funktioniert: ein kleines Wunder in vier Teilen. Dass wir uns noch wundern werden, was alles möglich sei, prognostizierte einst ein früherer Parteifreund Straches. Seither, seit einer gefühlten Ewigkeit also, wundert man sich tatsächlich. „Die Ibiza Affäre“ erzählt von einem Skandal, der kurz der größte war. Und verkürzt das Warten auf den nächsten. (jole)