Prozess um Fake-Dokumente für Wien-Attentäter: Fünf Monate Haft
Ein 30-Jähriger soll versucht haben, dem Wien-Attentäter falsche Reisedokumente zu besorgen. Der Mann wurde zu einer unbedingten Haftstrafe verurteilt.
Linz – Weil er versucht haben soll, dem Terror-Attentäter von Wien falsche Papiere für die Ausreise nach Syrien zu besorgen, ist ein 30-Jähriger am Freitag in Linz wegen Fälschung besonders geschützter Urkunden zu fünf Monaten unbedingt verurteilt worden. Die Probezeit für eine bedingt nachgesehene Strafe wurde auf fünf Jahre verlängert. Vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und kriminellen Organisation wurde er freigesprochen. Noch nicht rechtskräftig.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem in U-Haft sitzenden Mann auch vor, gewusst zu haben, dass sein Kunde einschlägig verurteilt war, sich zunehmend radikalisierte und ausreisen wollte – und ihm dennoch die für diesen Plan nötigen Papiere besorgen wollte. Stimmen die Vorwürfe, so würde sich daraus ergeben, dass der Wiener Attentäter einige Monate vor dem Terroranschlag noch Pläne hatte, ins Kriegsgebiet zu reisen.
Die Staatsanwältin begann ihre Ausführungen mit dem Attentat in Wien, bei dem vier Menschen sowie der Täter getötet und etliche verletzt wurden. Der Täter „ist nicht über Nacht zum Attentäter geworden“. Er habe bereits früher versucht über die Türkei nach Syrien zu reisen, um sich den Kampfhandlungen des IS anzuschließen. Er flog aber in der Türkei auf, wurde nach Österreich ausgeliefert und verurteilt.
Mehrfach vorbestraft
Der in Linz angeklagte Kosovare ist selbst bereits mehrfach vorbestraft, u.a. hatte er wegen eines schweren Raubes sechs Jahre Haft ausgefasst. Weil er gewusst habe, dass er danach abgeschoben werde, habe er sich 2019 bei einem italienischen Fälscher polnische Papiere bestellt, um danach wieder nach Österreich zu seiner Familie kommen zu können, so die Anklage. Über diesen Fälscher soll er auch für andere Familienangehörige Fake-Dokumente besorgt haben. Diese Delikte sind aber nicht Gegenstand der Anklage, weil sie im Kosovo verübt wurden.
Der Bruder des Angeklagten – er saß wegen desselben Raubes, wegen dem auch der Beschuldigte verurteilt worden war – lernte in der Haft jenen Mann kennen, der einst gemeinsam mit dem späteren Attentäter in die Türkei gereist war. Dieser Mithäftling bemühte sich um einen falschen Ausweis für seinen Freund, so kam es zu dem Kontakt zum Angeklagten. Dieser bestellte bei „seinem“ Fälscher eine deutsche ID-Karte und bekam vom späteren Attentäter dafür am 14. Mai des Vorjahres 1.400 Euro dafür überwiesen. Er behielt 600, den Rest schickte er weiter an den Fälscher. Aber dann war dieser plötzlich nicht mehr erreichbar. Letztlich zahlte der Angeklagte, der mittlerweile wieder illegal in Österreich war, seinem Kunden einen Teil des Betrags zurück.
Noch am 2. November 2020, dem Tag des Attentats, stellte der Angeklagte sein Handy auf Werkseinstellungen zurück, sagte die Staatsanwältin. Nach Ansicht der Anklagebehörde habe er gewusst, dass der Attentäter Mitglied des IS war und über die Türkei nach Syrien ausreisen wollte. Der Angeklagte habe sich selbst „im Dunstkreis von IS-Sympathisanten bewegt“ und es sei ihm klar gewesen, dass „keine Urlaubsreise in die Türkei geplant war, sondern, dass der Mann vorhatte in den Krieg zu ziehen“. Eine Organisation wie der IS brauche auch eine gewisse Infrastruktur. Und die habe der Angeklagte versucht zur Verfügung zu stellen.
Für Verteidiger Michael Lanzinger schießt die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien „klar über das Ziel hinaus“. Wenn man dieser Logik folge, müsse man auch „denjenigen, der dem Attentäter Würstel verkauft und ihm Nahrung gegeben hat oder der ihm ein Zugticket gekauft hat“, verurteilen. Auch könne man nicht selbstredend davon ausgehen, dass der Angeklagte wissen hätte müssen, dass sich hinter einer Türkeireise eine IS-Unterstützung verberge, meinte er sinngemäß.
Attentäter „nie gesehen“
Sein Mandant bekannte sich zum Vorwurf der Bestimmungstäterschaft zur Urkundenfälschung schuldig. Inklusive der nicht mitangeklagten Fälle aus dem Kosovo habe er 2019 sechsmal falsche Dokumente für sich bzw. für Verwandte und Bekannte besorgt. Mit dem Vorwurf der Beteiligung an einer terroristischen und einer kriminellen Organisation will er aber nichts zu tun haben. Den Attentäter habe er persönlich „nie gesehen“, nur mit ihm geschrieben. Dieser habe aber „von Mai bis Oktober“ 2020 regelmäßig nach dem Dokument gefragt. „Ich habe nicht gewusst, was er damit vorhat und wer er ist. Er wollte ein Dokument und ich wollte mein Geld“, so der 30-Jährige. Wenn er „gewusst hätte, dass er ein Terrorist ist“, hätte er ihm „für kein Geld der Welt“ die Papiere besorgt.
Der einstige Mithäftling des Bruders wurde dann via Videokonferenz einvernommen. Der Mann, der derzeit in U-Haft sitzt, sagte, er habe mit dem Bruder des Angeklagten wohl über Religion gesprochen, aber nicht über den IS. Er will weder in Gesprächen mit seinem Mithäftling noch in Chats mit dem Angeklagte je den Namen des späteren Attentäters erwähnt haben. Dass dieser 2020 neuerlich nach Syrien wollte, glaubt er nicht, wohl habe er aber Pläne gehabt, in die Türkei zu reisen.
Das Gericht sah es nicht als erwiesen an, dass der Angeklagte von der Radikalisierung oder den Ausreiseplänen des späteren Attentäters gewusst habe. Damit wurde der Mann im Zweifel von den Vorwürfen der terroristischen und kriminellen Organisation freigesprochen. Er nahm das Urteil an, die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab, daher ist das Urteil nicht rechtskräftig. Der Mann wird nun enthaftet, weil er bereits ausreichend lange in U-Haft war, aber gegen ihn besteht ein Aufenthaltsverbot. Er dürfte demnächst Besuch von der Fremdenpolizei bekommen. (APA)