Medien

APA-Vorstand Pig: „Unabhängigkeit der Redaktion ist unser Geschäftsmodell“

Der Tiroler Clemens Pig (47) ist seit 2016 Vorsitzender der APA-Geschäftsführung und wurde kürzlich zum neuen Präsidenten der europäischen Nachrichtenagentur-Allianz EANA gewählt.
© APA/Hochmuth

APA-Vorstand Clemens Pig über die Bedeutung von Pressefreiheit für die Demokratie und neue Geschäftsmodelle für Medien.

Von Carmen Baumgartner-Pötz

Wien – 32 Nachrichtenagenturen, von Portugal bis Russland, von Skandinavien bis Südeuropa: Sie alle stehen vor ähnlichen Herausforderungen, haben aber unterschiedliche Fundamente. Unter ihnen gibt es unabhängig-freie wie die Austria Presse Agentur (APA), klassisch-staatliche und Mischmodelle (z. B. Frankreich). Was sie aber alle eint, „der größte gemeinsame Nenner, ist ihr Streben nach Pressefreiheit und dass die dafür notwendigen wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen sichergestellt sind“, sagt Clemens Pig, Geschäftsführer der APA. Anfang Oktober wurde der Tiroler für die kommenden zwei Jahre zum neuen Präsidenten der europäischen Nachrichtenagentur-Allianz EANA (European Alliance of News Agencies) gewählt.

Da es normalerweise pro Land nur eine Nachrichtenagentur gibt, ist der Austausch in der Allianz besonders wichtig – Stichwort Blick über den Tellerrand. Aber auch Lobbyarbeit gehört dazu. „Wenn Agenturen unter politischen Druck und Beschuss geraten, wie es derzeit in Slowenien der Fall ist, dann melden wir uns zu Wort – gegenüber der Regierung in Ljubljana genauso wie in Brüssel“, erklärt Pig, der von „einem der größten Anschläge auf eine Agentur“ spricht. Die slowenische Nachrichtenagentur STA wurde zuletzt vom Presseamt der Regierung finanziell ausgeblutet und ist von der Insolvenz bedroht. Auch bei den Entwicklungen in Ungarn und Polen schaut die EANA genau hin. „Freie Nachrichtenagenturen sind immer ein Indiz für eine liberal-demokratische Gesellschaft, das geht Hand in Hand.“

Digitale Transformation als große Herausforderung

Zu den größten journalistischen Herausforderungen der Gegenwart zählt für Pig die digitale Transformation und – befeuert durch die Pandemie – der Auftrag, Desinformation und Fake News entgegenzutreten. Zuletzt haben mehrere Medien das Informieren mittels eines Fakten-Checks zusätzlich zur normalen Berichterstattung implementiert. Hier war die österreichische Nachrichtenagentur Vorreiter. Seit Anfang 2020 gibt es den APA-Faktencheck.

Das nächste richtungsweisende Projekt steht aber schon in den Startlöchern und nennt sich Media-Key. Mit einem zentralen Login – es reicht die Registrierung z. B. auf tt.com – können dann alle österreichischen Qualitätsmedien inklusive dem ORF genutzt werden. Welche Inhalte die Medien dafür freischalten, bleibt ihnen überlassen. „Es soll ein einfacher und niederschwelliger Zugang gewährleistet sein“, beschreibt Pig das Projekt, das bei planmäßiger Beschlussfassung mit Jahresbeginn 2022 starten soll.

Während die Bedeutung von Qualitätsjournalismus außer Streit steht, beschäftigt die Branche derzeit – Stichwort ÖVP-Krise – auch das Verhältnis von Politik und Boulevardpresse sowie mutmaßliche Inseratenkorruption. Wie beurteilt Medienmanager Pig die Gemengelage? „Die Nähe zwischen Politik und Medien hat mit Marktgröße, politischer Kultur und der Finanzierung von Journalismus zu tun. Die APA ist von niemandem abhängig und finanziert sich selbst“, sagt Pig. Journalismus und pure Gratismentalität gingen aber nicht zusammen, es brauche faire Marktchancen, damit Journalisten ihren Job als Profihandwerk ungestört ausüben können. „Das bedeutet: Eine gute Balance zwischen Inseratengeschäft und bestehenden und neuen digitalen Abos und gezielten Pay-Wall-Modellen. Damit gewinnt der Journalismus auch an Glaubwürdigkeit.“ Beim Thema Presseförderung – die die APA nicht bekommt – verweist Pig auf die aktuelle Diskussion, diese neu aufzustellen, gekoppelt an Qualitätsstandards. „In der APA ist redaktionelle Unabhängigkeit schlichtweg das Geschäftsmodell. Auf uns muss man sich verlassen können“, betont er. Schließlich übernehmen viele Online-Portale die Agenturmeldungen oft 1:1.

Einmischungsversuche der Politik

Einmischungsversuche der Politik kennt man auch bei der APA. „Das ist ja kein neues Phänomen und nicht jeder Anruf ist gleich eine Intervention. In der Chefredaktion gebe es dazu eine klare Linie, sagt Pig: „Wenn jemandem unsere Headline nicht gefällt, dann kann er sich gerne melden, aber es kümmert uns nicht. Wenn Kritik von allen Seiten kommt, dann haben wir es richtig gemacht.“

Pig ist zutiefst davon überzeugt, dass Medien essenziell für die demokratische Infrastrukur sind. Deshalb liegt ihm auch das Thema Medienkompetenz für die junge Generation am Herzen. Gemeinsam mit dem Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) arbeitet die APA an Unterstützungstools für den Schulbereich. Dabei geht es aber nicht nur darum, neue Kanäle wie TikTok zu bespielen, sondern grundsätzlich um Themenauswahl und -aufbereitung. „Wir müssen uns immer fragen: Was holt die Jugend, so vielfältig diese ist, wirklich ab? Das ist eine große Herausforderung.“