Tirol

Wege durch die Endlos-Krise mit App der Innsbrucker Uni-Klinik

Rund 20 Prozent der Bevölkerung, besonders jüngere Menschen und Frauen, leiden seit Pandemie-Beginn unter Angst-, Schlaf- oder depressiven Störungen. (Symbolfoto)
© dpa

Die Pandemie und ihre Folgen belasten die Psyche vieler Menschen. Leistbare Therapieplätze sind jedoch limitiert. Mit einer Handy-App will die Innsbrucker Uni-Klinik Betroffenen helfen.

Von Benedikt Mair

Innsbruck – Jetzt geht das Ganze von vorne los. Der Kampf gegen das Coronavirus ist noch lange nicht gewonnen, Maßnahmen werden wieder verschärft, offen wird über einen Lockdown für alle diskutiert. Was wohl als Nächstes kommt? Und wann ist das alles endlich vorbei? Die Pandemie und ihre Auswirkungen belasten die Psyche vieler Menschen schwer. Depressionen oder Angststörungen haben stark zugenommen. Leistbare Behandlungsangebote gibt es nur begrenzt. Eine Handy-App der Innsbrucker Uni-Klinik soll Betroffenen jetzt helfen.

„Wir haben es mit einer chronisch verlaufenden Krise zu tun. Und dafür sind wir Menschen nicht geschaffen“, sagte Barbara Sperner-Unterweger, Direktorin der Universitätsklinik für Psychiatrie II in Innsbruck, gestern bei der Präsentation des Angebotes. Mit akuten Ausnahmesituationen umzugehen gelinge den meisten, aber derzeit gebe es „immer wieder neue Herausforderungen. Und irgendwann stellt sich hier ein Erschöpfungszustand ein, weil es immer wieder etwas gibt, auf das wir uns einstellen müssen.“

Wir haben es mit einer chronisch verlaufenden Krise zu tun. Und dafür sind Menschen nicht geschaffen.
Barbara Sperner-Unterweger (Psychiatrie-Direktorin)

Die Zahl der Tirolerinnen und Tiroler, die psychisch erkrankt sind oder zumindest über enorme Belastung klagen, hat zugenommen. Zwischen 15 und 20 Prozent der Bevölkerung – in Rest-Österreich und anderen europäischen Ländern haben Studien einen ähnlichen Schnitt ermittelt – leiden unter Angst- oder Schlafstörungen oder haben depressive Symptome entwickelt. „Und wir sehen keine Verbesserung“, meint Sperner-Unterweger. „Und es gibt besondere Risikogruppen, die wir identifiziert haben. Das sind Menschen mit multipler Belastung oder psychischen Vorerkrankungen sowie Frauen und Jüngere.“ Auch Post- oder Long-Covid-Patienten seien nicht selten mit seelischen Problemen konfrontiert.

Schon zu Beginn der Pandemie, am ersten Tag des Lockdowns im März des Vorjahres, hat ein Team der Universitätsklinik für Psychiatrie II Therapieanleitungen für zuhause und in weiterer Folge einige Videos mit Informationen zu diversen Themen online gestellt. „Das Angebot war niederschwellig, auf das die Leute einfach und schnell zugreifen konnten“, erklärt Mátyas Gálffy, Mitarbeiter der Psychiatrie II in Innsbruck. Der Internet-Auftritt war und ist ein voller Erfolg, immer noch greifen täglich bis zu 100 Menschen darauf zu. In Summe wurde die Webseite 400.000-mal geladen, die Kurzfilme sahen sich 46.000 Nutzer an. „75 Prozent der Zugriffe sind auf mobile Endgeräte zurückzuführen“, sagt er. Deshalb sei klar gewesen, dass eine speziell für Handys und Tablets entwickelte Anwendung nötig sei.

Es ist keine diagnostizierende Plattform. Vielmehr hilft sie zu erkennen, dass eine Ver­änderung im Gang ist.
Mátyas Gálffy (Mitarbeiter Psychiatrie II)

Ab sofort kann die Help@Covid-App, die österreichweit erste ihrer Art, auf iOS-Geräten heruntergeladen werden, in wenigen Tagen wird auch die Android-Version verfügbar sein. „Es ist keine diagnostizierende Plattform“, ihr Besuch ersetze nicht den bei einem Arzt oder Therapeuten, betont Gálffy. „Vielmehr gibt sie Hinweise und hilft zu erkennen, dass eine gewisse Veränderung im Gange ist.“ Das passiert über Informationstexte, Videos und Fragebögen, die anschließend vom System ausgewertet werden. Dadurch können Belastungen besser verstanden und damit leichter umgegangen werden. Registriert die App, dass der aktuelle Zustand des Nutzers für ihn zur Gefahr wird, zeigt sie auch Hilfsangebote auf.

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