Weltmeister Hamilton vor Finale gelassen: Vorteil trotz Rückstands?
Lewis Hamilton geht als Jäger in das Formel-1-Saisonfinale. Trotzdem hat der Weltmeister vor der letzten drei Rennen auch einen kleinen Vorteil. Gerätselt wird über seinen neuen Motor.
Doha – Die freien Tage sind genau so wichtig wie die arbeitsreichen. Das hat Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton vor dem Katar-Rennen unter ein Video bei Instagram geschrieben. Auf einem elektrisch angetriebenen Surfbrett suchte der Mercedes-Superstar in dieser Woche Entspannung, ehe es zum nächsten Schlagabtausch im hitzigen Titelduell mit WM-Spitzenreiter Max Verstappen kommt. Hamilton scheint vor dem Wüstenrennen am Sonntag psychologisch im Vorteil – trotz Rückstands.
Grund dafür ist sein beeindruckender Sieg am vergangenen Wochenende in Brasilien. Über dieses Rennen werde man „zu Recht noch viele Jahre sprechen", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. Der 36 Jahre alte Hamilton ließ sich von nichts und niemand aufhalten. Nicht vom verbissen kämpfenden Verstappen, nicht von einer Disqualifikation und einer Strafversetzung. Er holte seinen 101. Grand-Prix-Sieg und schloss bis auf 14 Punkte zu dem zwölf Jahre jüngeren Verstappen auf.
Hinterher legte Mercedes noch Protest gegen eine Entscheidung der Rennkommissare zugunsten von Verstappen ein. Hamilton initiierte den Einspruch nicht persönlich und betonte bei einer Pressekonferenz: „Ich verwende alle Kraft darauf, an diesem Wochenende wieder bereit zu sein." Er wolle Red Bull „weiter einen Kampf liefern", den Gegner respektiere er ohne Einschränkung: „Respekt ist wichtig, auf und neben der Strecke."
Entscheidung zu Mercedes-Protest erst am Freitag
Im Fall des Protests des Formel-1-Teams Mercedes gegen eine Entscheidung der Rennkommissare beim Grand Prix in Brasilien zugunsten von Red-Bull-Fahrer Max Verstappen lässt eine Entscheidung weiter auf sich warten. Nach einer Anhörung am Donnerstagabend mit Mitgliedern beider Teams am Rande des Katar-GPs in Doha werden die Stewards die Angelegenheit weiter prüfen. Eine Entscheidung soll am Freitag veröffentlicht werden, sagte ein Sprecher des Motorsport-Weltverbands (FIA).
Bei dem Termin am Donnerstag wurde in einer Videokonferenz erörtert, ob ein Nachprüfungsrecht besteht und der Protest weiter verfolgt werden kann. Konkret geht es darum, ob „ein wesentliches und relevantes neues Element entdeckt wird, das den Parteien, die das Verfahren beantragen, zuvor nicht zur Verfügung stand".
Die Silberpfeile hatten am Dienstag nachträglich eine Überprüfung des knallharten Zweikampfs zwischen Verstappen und Weltmeister Lewis Hamilton aus Großbritannien beim WM-Lauf am Sonntag veranlasst. Der Red-Bull-Pilot hatte Hamilton neben die Strecke gedrängt. Als Grund für den Einspruch nannte Mercedes das Auftauchen neuen Beweismaterials, das den Rennkommissaren während des Rennens nicht zur Verfügung gestanden habe.
Was Verstappens Red-Bull-Team im Saisonfinale aber unabhängig davon besonders Sorgen bereitet ist: Auf den Geraden ist Hamilton nach einem Motorenwechsel wieder enorm schnell. Mit diesem Aufschwung hatte kaum noch jemand gerechnet. Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko sprach schon davon, dass den Silberpfeilen beim Antrieb ein „Meisterwerk gelungen sei", sagte er dem Fachmagazin Auto, Motor und Sport und zeigte sich beeindruckt, „so eine Rakete im entscheidenden Teil der Meisterschaft herbeizuzaubern". Ob das nur am neuen Motor oder auch an einem modifizierten Heckflügel liegt ist noch unklar.
Fakt ist aber: Nachdem Hamilton schon abgeschrieben wurde, weil Verstappen ihm Woche für Woche Punkte abnahm, ist dieser Trend nun gestoppt. Der Routinier hat den Vorteil jahrelanger Erfahrung im Kampf um den Titel, während das für seinen niederländischen Widersacher alles neu ist. In den vergangenen vier Jahren war Hamilton allerdings spätestens drei Rennen vor Schluss Champion. Letztmals richtig gefordert wurde er 2016, als bis zum finalen Grand Prix alles offen war. Am Ende unterlag er seinem Teamkollegen Nico Rosberg. Es war das einzige Mal seit 2014, dass er nicht Weltmeister wurde.
Nun stehen zwei für die Formel 1 ganz neue Strecken in Doha und in zwei Wochen im saudi-arabischen Dschidda an, ehe es zum Saisonfinale nach Abu Dhabi geht. Und auch wenn Hamilton über mehr Routine verfügt, gibt es keinen Grund, Verstappen abzuschreiben. Die Spitzenposition hat er sich mit neun Rennsiegen in 19 WM-Läufen verdient, während Hamilton nur sechs Mal gewonnen hat. „Wir haben noch drei Rennen vor uns, also geht es darum, zu pushen und als Team alles zu tun, um die Leistung auf der Strecke zu maximieren", sagte Verstappen.
Hamilton hat aber sicher eine Chance, die Leistungen von Verstappen doch zu beeinflussen. Denn Psycho-Spielchen sind dem Altmeister nicht fremd. Zuletzt machte er auch in einem Interview der Süddeutschen Zeitung eine Andeutung. Demnach gebe es etwas, was viele seiner Gegner gemeinsam hätten: „Sie waren alle geistig verletzlich. Und das ist eine interessante Beobachtung, wie ich finde." (APA/dpa)
Hamilton zu Situation in Katar: „Langen Weg zu gehen"
Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton wünscht sich im Kampf gegen Missstände aller Art mehr meinungsstarke Sportler. „Ein Mensch kann nur einen kleinen Unterschied machen, aber zusammen können wir einen Einfluss haben", sagte der Brite am Donnerstag in Katar. Die Austragung des Rennens im Wüstenstaat gilt als umstritten.
„Es ist schwer, darüber zu sprechen. Als Fahrer haben wir nicht die Wahl, wo wir fahren", sagte der siebenmalige Champion und ergänzte: „Sie machen hier Schritte nach vorne, das wird sich nicht über Nacht verbessern. Es gibt immer noch einen langen Weg zu gehen."
An diesem Sonntag (15 Uhr/live ServusTV, Sky) findet erstmals ein Grand Prix der wichtigsten Motorsportserie in Katar statt. Ein langfristiger Vertrag über zehn Jahre ab 2023 wurde aber bereits abgeschlossen. „Wenn wir hierherkommen, müssen wir darauf aufmerksam machen", sagte Hamilton angesprochen auf die schwierige Menschenrechtssituation.
Katar steht seit Jahren aufgrund der Missachtung von Menschenrechten und der Ausbeutung von Arbeitsmigranten international heftig in der Kritik. Längst wird den Machthabern vorgeworfen, durch ein umfangreiches Engagement im Profisport zu versuchen, das ramponierte Image aufzubessern. Der Große Preis der Formel 1 findet dabei auf den Tag genau ein Jahr vor dem Eröffnungsspiel der Fußball-WM statt.
Hamilton bezeichnete die Thematik als „sehr komplex" und sich selbst nicht als Experten. „Es geht darum, sich selbst zu bilden und dafür zu sorgen, dass der Sport etwas tut", betonte der 36-Jährige. In der Vergangenheit sei er selbst „in vielen dieser Länder ignorant" gewesen. Auch andere Fahrer seien sich der Probleme bewusst, aber auch die Formel 1 selbst und der Motorsport-Weltverband FIA stehen in der Verantwortung. „Ich vertraue darauf, dass uns die FIA an Orte bringt, an denen es angebracht ist zu fahren", sagte Hamilton.
Der viermalige Weltmeister Sebastian Vettel hat Kritik an der Austragung des Formel-1-Rennens im Wüstenstaat Katar am Donnerstag vermieden. „Es ist mehr eine Frage für die ganze Formel 1 und nicht nur für mich als Einzelnen", sagte der Deutsche. Zuvor war der 34-Jährige bei einer Pressekonferenz gefragt worden, ob er eher den Standpunkt vertrete, mit dem Gang in das umstrittene Emirat eine Veränderung voranzutreiben oder man doch lieber einfach fern bleiben sollte. Vettel nannte das „eine schwere Frage", die „uns alle angeht". Damit meinte er die gesamte Formel-1-Gemeinschaft.