Zeitzeugen-Gespräch

Helmut Kritzinger: Erinnerungen eines Urgesteins

Zeitzeuge Helmut Kritzinger mit Moser-Holding-Vorstandschef Hermann Petz, Landesrat Johannes Tratter, Bernhard Triendl (ORF) und Interviewer Bernhard Aichner (v. r.).
© Falk

Helmut Kritzinger kramte im Zeitzeugen-Gespräch in seinem Leben, in dem Südtirol, die Politik und das Engagement für Senioren eine große Rolle spielten und immer noch spielen.

Von Mario Zenhäusern

Innsbruck – „Ich wünsche euch Mut, Zusammenhalt – und auch ein gewisses Verantwortungsgefühl für Südtirol.“ Mit diesen Worten bedankte sich Helmut Kritzinger nach dem Zeitzeugen-Gespräch am Dienstagabend im Haus der Musik in Innsbruck beim Publikum. Zuvor hatte er in seinem langen Leben gekramt und dabei die eine oder andere Pointe ausgepackt. Von Interviewer und Starautor Bernhard Aichner als „Urgestein der Tiroler Politik“ bezeichnet, schlug der 93-Jährige auch ernste Töne an. Etwa, dass er es als Jugendlicher bzw. junger Mann verabsäumt hatte, seinen Vater über gewisse Dinge, etwa dessen Kriegseinsatz und die spätere Gefangenschaft, zu befragen: „Heute tut es mir leid, dass ich das damals nicht angesprochen habe.“

Aufgewachsen im Südtiroler Sarntal, wandte sich der ausgebildete Volksschullehrer, der die Einheimischen am Wochenende zwischendurch auch als Kinovorführer unterhielt, rasch der Politik zu. Als Ortsobmann der Südtiroler Volkspartei im Sarntal geriet er rasch auch ins Visier der Carabinieri, die den Freiheitsdrang der Südtiroler Bevölkerung mit Argusaugen beobachtete. Kritzinger ließ keine Gelegenheit unversucht, um die Italienisierung seiner Heimat zu kritisieren. Die Bombenanschläge im Zuge der „Feuernacht“ im Juli 1961 hätten seiner Meinung nach den Italienern die Möglichkeit geboten, Tausende Soldaten nach Südtirol zu verlegen. „Ich habe in meiner politischen Tätigkeit damals gesagt: Wir müssen den Gegner dort zwicken, wo er sich nur kratzen kann und nicht beißen.“ Kritzinger selbst war an den Anschlägen aber nicht beteiligt. Er saß zu der Zeit im Gefängnis – „zum Glück“, wie er im Gespräch mit Aichner launig anmerkte, „sonst hätten sie mich mindestens für ein paar Jahre eingesperrt“.

Ich habe gesagt: Wir müssen den Gegner dort zwicken, wo er sich nur kratzen kann und nicht beißen.
Helmut Kritzinger (Zeitzeuge)

Der Verhaftung durch die italienische Polizei entzog sich Kritzinger durch seine Flucht nach Nordtirol. Hier beauftragte ihn der damalige Landeshauptmann Eduard Wallnöfer mit dem Aufbau einer Organisation für die Senioren. In den Folgejahren entstand so der Tiroler Seniorenbund, in dem Helmut Kritzinger mehr als 50 Jahre lang den Takt vorgab – als Landessekretär, Bezirks- und Landesobmann. Und er nützte auch das Zeitzeugen-Gespräch, um darauf hinzuweisen, dass die Senioren „Unterstützung brauchen“.

Der Politik trug er auf, dafür zu sorgen, „dass ältere Menschen eine ordentliche Pension erhalten, dass ihre Arbeit nicht bestraft wird“.

Aus seiner Liebe zu Südtirol hatte Helmut Kritzinger nie einen Hehl gemacht. Nicht ohne Grund, wie er am Mittwoch zum Schluss launig anmerkte, denn die Südtiroler hätten einen Vorteil – „die haben den Wein“.

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