Wirtschaft

Rahmenabkommen mit EU geplatzt: Dunkle Wolken über Schweizer Wirtschaft

Nach vielen Protesten erklärte der Bundesrat die Gespräche für einen Rahmenvertrag mit der EU für beendet.
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Im Mai beendete die Schweiz ihre Bemühungen um ein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU. Das hat auch Auswirkungen auf Tirol.

Innsbruck – Die Schweiz ist nach Deutschland und noch vor Italien die zweitwichtigste Exportdestination Tirols. Das bilaterale Handelsvolumen Tirols mit der Schweiz stieg selbst im Krisenjahr 2020 auf ein Volumen von fünf Mrd. Euro. Zum Vergleich: Mit den USA beläuft sich das Handelsvolumen auf 800 Mio. Euro. So ist die Schweiz für Tiroler Unternehmen ein wirklich attraktiver Markt. Doch dies könnte sich in Zukunft ändern, nachdem die Schweiz einen – jahrelang verhandelten – Rahmenvertrag platzen ließ.

„Ein wesentlicher Erfolgsfaktor des Wirtschaftsstandorts Schweiz sind die über 120 bilateralen Verträge, die mit der EU abgeschlossen wurden“, erläutert Manfred Schmid, WK-Wirtschaftsdelegierter für die Schweiz und Liechtenstein, am Tag der Außenwirtschaft in Innsbruck gegenüber der Diese Verträge haben der Schweiz den Zugang zum EU-Binnenmarkt sowie eine enge Anbindung der Schweiz an die EU gesichert. „Doch seit Kurzem knirscht es im Gebälk und die privilegierte Zusammenarbeit der Schweiz mit der EU bröckelt“, so Schmid. Der Grund: Aus der Sicht der EU setzt die Schweiz die lokalen Durchführungsbestimmungen zugunsten ihres Wirtschaftsstandorts um und sichert sich Wettbewerbsvorteile im Vergleich zu Firmen mit Sitz in der EU.

Der Bundesrat der Schweiz.
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Binnenmarktregeln werden oft wirtschaftsfreundlicher in der Schweiz umgesetzt und damit Standortvorteile generiert. Gleichzeitig ortet die EU-Kommission auch protektionistische Maßnahmen der Schweiz, um Schweizer Unternehmen vor dem Wettbewerb aus der EU zu schützen. So fordert die EU schon seit Jahren z. B. die Aufhebung der vertragswidrigen acht Tage Voranmeldung für Handwerker, die in die Schweiz hineinarbeiten wollen. Dies trifft naturgemäß auch Tiroler Unternehmen, die mit vielen bürokratischen Hürden konfrontiert sind, wenn diese ihre Leistungen in der Schweiz erbringen wollen. Neben dem Meldeverfahren und den komplizierten Lohnberechnungsvorgaben werden zudem auch im Bauhaupt- und -nebengewerbe ausländische Unternehmen protektionistisch einer engmaschigen Kontrolldichte unterworfen. Einige Tiroler Unternehmen haben nun entschieden, keine Leistungen mehr in der Schweiz zu erbringen, weiß Schmid. Der administrative Aufwand sei für viele Unternehmen zu hoch. „Leider gibt es aber kein Streitbeilegungsverfahren, welches sicherstellt, dass es bei unterschiedlicher Auslegung eine verbindliche und verpflichtend umzusetzende Lösung gibt“, so Schmid. Die EU forderte daher einen so genannten Rahmenvertrag ein, welcher für fast alle der 120 Verträge eine schiedsgerichtliche Instanz vorsieht. Das Urteil dieses Schiedsgerichts müsste dann von der Schweiz verbindlich umgesetzt werden. Nach sieben Jahren zäher Verhandlung lag dieser Rahmenvertrag unterschriftsreif vor. Die Schweizer Regierung unterzeichnete diesen jedoch nicht. Die Schweiz hatte wegen Widerständen in der Bevölkerung zuletzt darauf beharrt, Streitfragen zu entsendeten Arbeitnehmern, Staatsbeihilfen und der Personenfreizügigkeit aus dem Abkommen zu nehmen. Dies lehnte die EU allerdings strikt ab und warnte, es werde bei einem Scheitern der Verhandlungen keine neuen Abkommen geben und ältere Abkommen würden möglicherweise nicht aktualisiert. Unter anderem wurde die Schweiz aus der Wissenschaftskooperation Horizon Europa ausgeschlossen, die Börsenäquivalenz gestrichen und die Schweizer Zertifizierung für Medizinprodukte verliert ihre Gültigkeit.

„So wie es in Zukunft für die Med-Tech-Branche komplizierter wird, am EU-Markt zu punkten, so wird es möglicherweise auch andere Sektoren treffen“, ist sich Schmid sicher. Bisher waren es zwar nur Nadelstiche, die isoliert betrachtet noch keine wesentlichen Auswirkungen haben. „Mittel- bis langfristig ist das Problem für die Schweiz aber durchaus gravierend“, betont Schmid. Wenn auch die Wirtschaft in der Schweiz weiter vor Stärke strotzt und ein wichtiger Wirtschaftspartner Tirols bleibt, so ziehen doch dunkle Wolken über den Schweizer Wirtschaftshimmel. (hu)