Nach Kurz-Rücktritt

Gernot Blümel im Porträt: Abgang in Kurz' Schatten

Ex-Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP).
© GEORG HOCHMUTH

Nach dem Rückzug von ÖVP-Chef Sebastian Kurz aus allen politischen Ämtern hat auch Finanzminister Gernot Blümel seinen Rücktritt erklärt. Auch der zweifache Familienvater führt familiäre Gründe an, aber lässt auch die Verbindung zum Ende der Ära Kurz nicht unerwähnt.

Wien – Gernot Blümel hat die vergangenen Jahre des öfteren wie der etwas weniger talentierte Zwilling von Sebastian Kurz gewirkt. Nunmehr geht er im Schatten des Altkanzlers in den politischen Ruhestand. Auch der zweifache Familienvater führt familiäre Gründe an, aber lässt auch die Verbindung zum Ende der Ära Kurz nicht unerwähnt.

Video auf Gernot Blümels Facebook-Seite:

Ob Blümel freiwillig geht, wird wohl unterschiedlich beantwortet werden. Offenkundig ist, dass die ÖVP einen Bruch zur türkisen Zeit will und der Finanzminister für diese steht wie außer Kurz kein anderer. Zudem ist Blümel beschädigt durch die Ermittlungen der Justiz im ÖVP-Umfeld und publik gewordene – freundlich ausgedrückt – saloppe Chats mit dem nun auch schon länger abgelösten ÖBAG-Chef Thomas Schmid.

Intelligenter Gesprächspartner auch für andere Fraktionen

Blümel wirkte in seinem politischen Leben immer etwas kühler als Kurz, manche nannten es auch herablassender. Symbolisch dafür steht, als er einst in Socken durch den Plenarsaal schritt, für nicht wenige Abgeordnete Ausdruck der Respektlosigkeit. Andere schätzten ihn als intelligenten Gesprächspartner, selbst jene aus anderen Fraktionen, zudem war ihm politisches Geschick durchaus gegeben.

Schließlich konnte Blümel sogar vor dem Wählervolk punkten, was dem stets etwas reservierten Wiener mit niederösterreichischen Wurzeln viele nicht zugetraut hätten. Mehr als 20 Prozent bei der Wien-Wahl holte die ÖVP unter Blümel. Ob wegen ihm lässt sich schwer beurteilen. Zumindest gestört hat er die Wähler offenbar nicht. Freilich, die Kommunalpolitik schien Blümel stets eher Beiwerk, wohler fühlte er sich im Bund - ob als relativ kurzzeitiger Generalsekretär der Bundespartei, als der er von Michael Spindelegger aus dem Hut gezaubert wurde, oder später unter Türkis-Blau als Minister im Kanzleramt oder zuletzt mit den Grünen als Finanzminister.

Dort hatte er sich vor allem anfangs in der Pandemie viel anhören müssen, zu spät die Hilfe, zu wenig und zu geizig. Diese Kritik hat sich mittlerweile abgeschwächt. Als Pluspunkt seiner Ära verbuchen kann Blümel den Einstieg in die CO2-Bepreisung bei gleichzeitiger Entlastung von Wirtschaft und Arbeitnehmern. Wohl am ärgerlichsten für ihn ist, dass der konsolidierte Staatshaushalt als Ziel in Corona-Zeiten bestenfalls ein Wunschtraum war.

Unglücklicher agierte Blümel sowieso an Nebenfronten. Ein allgemein als präpotent empfundener Auftritt im U-Ausschuss hängt ihm bis heute nach. Das gilt umso mehr für eine Hausdurchsuchung bei ihm daheim im Zusammenhang mit Parteispenden-Vorwürfen.

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Was Blümel künftig macht, man weiß es nicht. Als Cartellbruder und durch seine vielfältige politischen Kontakte wird der studierte Philosoph und Flügelhornspieler wohl genug Verbindungen haben, um da oder dort einen Fuß in ein erfolgreiches Privatwirtschaftsleben setzen zu können. Mehr Zeit für die Familie wird da für den langjährigen Vielarbeiter auch abzuzwacken sein. Blümel lebt seit vielen Jahren mit einer Journalistin zusammen. Das Paar hat zwei Kinder. (APA)

Zur Person

Gernot Blümel, geboren am 24. Oktober 1981 in Wien, aufgewachsen in Moosbrunn, liiert. Studium der Philosophie sowie an der Executive Academy der WU. 2008-2010 Vizepräsident der Jungen Europäischen Volkspartei. Ab Dezember 2013 Generalsekretär der ÖVP, seit Oktober 2015 Obmann der Wiener Volkspartei. Von Dezember 2017 bis Juni 2019 Kanzleramtsminister mit den Agenden Kunst, Kultur, Medien und EU, ab Jänner 2020 Finanzminister.

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