Pfusch-Plus bremst etwas, kein schlechtes Gewissen
Fast 28 Mrd. Euro Umsatz werden im Pfusch erzielt. Für die Bevölkerung ist es ein Kavaliersdelikt, im EU-Vergleich ist Österreich „Schlusslicht“.
Linz, Innsbruck – Im Vorjahr war das Pfusch-Volumen in Österreich auch als Folge der Corona-Krise um 12 Prozent auf 26,9 Mrd. Euro stark gestiegen, heuer fiel das Plus nicht mehr ganz so stark aus. Mit einem Plus von 3,2 Prozent auf 27,8 Mrd. Euro werde der Zuwachs aber über jenem der regulären Wirtschaft von 2,7 bis 3 Prozent liegen, sagt der Linzer Universitätsprofessor und „Pfusch-Papst“ Friedrich Schneider. Ursprünglich hatte Schneider heuer mit einem Plus der Schattenwirtschaft von nur 1,1 Prozent gerechnet.
Die heuer vermutlich 7,1 Prozent Anteil des Pfuschs am BIP stellen allerdings den besten, weil niedrigsten Wert in der gesamten EU dar. Nur die Niederlande und Luxemburg kommen Österreich mit 7,8 bzw. 8,4 Prozent recht nahe. Schlusslichter sind Bulgarien mit 32 Prozent sowie Kroatien und Rumänien mit je 29 Prozent. Im Bereich von 22 bis 23 Prozent liegen Litauen, Estland und Polen, Italien und Griechenland kommen auf je 20 Prozent Pfusch-Volumen., Deutschland liegt bei etwa 10 Prozent, der EU-Schnitt beträgt 17,4 Prozent.
📽️ Video | Ökonom Schneider: Immer mehr Pfusch
Der Pfusch wachse laut Schneider heuer auch deshalb, weil viele von der Pandemie Betroffene zumindest einen Teil der Einkommensverluste durch eigenes Schwarzarbeiten oder Aufträge an Pfuscher ausgleichen würden. Auch die Bevölkerung geht von „deutlich“ oder „etwas mehr“ Pfusch durch die Corona-Krise aus, laut market-Befragung im November sahen das 59 Prozent so, vor allem Jüngere.
Unrechtsbewusstsein zum Pfusch gibt es kaum, dieser gilt für das Gros der Bevölkerung als absolutes Kavaliersdelikt. Mit 62 Prozent sind fast zwei Drittel der Bevölkerung da sehr kulant. Auch selbst einer Schwarzarbeit nachzugehen stößt vielfach auf Verständnis: Für fast ein Drittel (32 Prozent) der Bevölkerung ist oder wäre dies durchaus in Ordnung. 64 Prozent bejahen, dass vieles erst durch Pfusch leistbar wird. Und der Staat sei selbst schuld, wenn viele wegen der hohen Steuerbelastung Schwarzarbeit nutzen würden (43 Prozent). Nur 5 Prozent finden, dass man Pfusch anzeigen sollte, und gar nur 2 Prozent gaben an, Pfuscher selbst auch tatsächlich anzuzeigen.
Was den Pfusch auch nicht gerade einbremst: Dem Staat werfen 70 Prozent (vor einem Jahr waren es erst 61 Prozent) der Befragten vor, dass er verschwenderisch mit dem eingenommenen Steuergeld umgehen würde.
Größter Verlierer beim Pfusch ist der Staat, dem hauptsächlich Sozialversicherungsbeiträge entgehen. Die Ausfälle taxiert Schneider mit 2 bis 3,5 Mrd. Euro im Jahr, wobei sich die Steuerverluste in Grenzen hielten, da das schwarz verdiente Geld gleich wieder in die offizielle Wirtschaft fließe. Und 40 Prozent der Pfusch-Tätigkeiten würden in der offiziellen Wirtschaft zum hohen offiziellen Preis gar nicht nachgefragt. (va, APA)