Tiroler Studie: Pandemie verstärkt Armut, vor allem Frauen betroffen
Besonders prekär sei Situation von Alleinerzieherinnen und insbesondere wohnungsloser Frauen und ihren Kindern
Innsbruck – Corona verstärkt problematische und prekäre Lebenssituationen – vor allem bei Frauen. Dies bestätigt nun auch eine Studie des Tiroler Armutsforschungsforums unter der Leitung von Andreas Exenberger vom Institut für Wirtschaftstheorie der Universität Innsbruck. Die Pandemie wirke sich nicht nur negativ auf die psychische und körperliche Gesundheit aus, sondern insbesondere auch auf soziale Verhältnisse, zitierte das Land Tirol die Erkenntnisse in einer Aussendung.
Armutslage verfestigt sich
Besonders prekär war demnach die Situation von Alleinerzieherinnen und insbesondere wohnungsloser Frauen und ihren Kindern, erläuterte Exenberger. Personen mit Ressourcen haben in der Pandemie „Wahlmöglichkeiten, die andere nicht hatten". Die Ergebnisse würden „ein klare Verringerung der Teilhabechancen, insbesondere im Bereich Schule" dokumentieren. Die „Häufung von Problemlagen" war mitunter die größte Herausforderung. Digitalisierung mancher Abläufe stellte für Betroffene in manchen Fällen zusätzliche Hürden dar. Dadurch, dass von Obdachlosigkeit oder Armut betroffene Menschen oft von Entscheidungsprozessen ausgeschlossen sind und von „notwendigen oder sinnvollen Betätigungen ausgegrenzt werden", verfestige sich die Armutslage, präsentierte der Studienautor weitere Ergebnisse.
Die Erhebungen wurden vom Land mit einem Betrag in der Höhe von 60.000 Euro gefördert und von Forschenden der Universität Innsbruck, des MCI und der fh gesundheit Tirol in Kooperation mit dem gemeinnützigen Verein unicum:mensch durchgeführt. Die Auswirkungen der Covid-Pandemie in Tirol für Armutsbetroffene seien bisher „wissenschaftlich praktisch nicht erforscht worden", unterstrichen die Verantwortlichen. Es habe sich gezeigt, dass die Covid-Pandemie speziell für von Armut betroffene Menschen wie ein „Brennglas" gewirkt habe.
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Die Studie basiert auf acht Teilprojekten, die jeweils unterschiedliche Aspekte der Armutsbetroffenheit beleuchten. So wurde vor allem das Armutsrisiko und die Armutsbetroffenheit von Menschen mit Bildungsdefiziten, Working Poor, Menschen mit Fluchterfahrung, älteren Menschen, Frauen sowie Menschen mit psychischen und mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen wissenschaftlich untersucht.
Erstmals wurden außerdem einschlägige Daten aus dem Austria Corona Panel Projekt (ACPP) mit Tirol-Bezug ausgewertet, insbesondere mit Blick auf die Einkommenssituation in Tirol. Die Studienbeteiligten führten Interviews mit armutsbetroffenen Familien und Expertinnen und Experten um die Problemstellungen Gewalt, Armut, Bildungsungleichheit und Wohnungslosigkeit als Formen sozialer Diskriminierung von Frauen und Kindern herauszuarbeiten. Im Zuge der Studien konnten fünf Falltypen identifiziert werden, unter anderem jene, deren Problemlage sich erst aufgrund der Pandemie entwickelten oder aber jene, die die Krise als Chance nutzen und - etwa aufgrund der hohen Nachfrage nach Pflegekräften einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz bekommen haben, ließ Lukas Kerschbaumer, Hochschullektor am MCI, wissen.
Hilfestellungen „noch treffsicherer" gestalten
Die „umfassende wissenschaftliche Betrachtung des Themas" war Tirols Soziallandesrätin Gabriele Fischer (Grüne) ein Anliegen. „Das Thema Armut muss in den öffentlichen Fokus gerückt werden, denn es wird oft übersehen, es wird weggesehen und es ist mit Scham verbunden", stellte sie klar. In Tirol gebe es ein „Netz aus vielfältigen Hilfeleistungen, um Armut und soziale Ausgrenzung zu bekämpfen und Menschen in finanzieller Not bei der Bewältigung ihrer Kosten für Lebensunterhalt, Wohnen und Krankenversorgung zu unterstützen". Wichtig sei „eine entsprechende Bewusstseinsbildung", damit Menschen diese auch annehmen, betonte Fischer. Zudem müssten Hilfeleistungen „noch treffsicherer" gestaltet werden, war die grüne Politikerin der Meinung.
Die Ergebnisse des gesamten Projekts wurden und werden in Form der sechsteiligen Workshop-Reihe „Armut aktuell" zwischen Oktober 2021 und Februar 2022 kommuniziert und diskutiert. Sowohl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Sozialeinrichtungen, die mit Armutsbetroffenen arbeiten, aber auch die interessierte Öffentlichkeit könne an diesen Workshops teilnehmen, informierte Exenberger. Die Ergebnisse der Workshops sollen gemeinsam mit den Erkenntnissen der Studie in eine finale Publikation einfließen. Die Workshop-Reihe soll zudem in den kommenden Jahren fortgesetzt werden. (APA)