Das Werden von Kunst als Mosaik mit vielen Teilen
Das Tiroler Landesmuseum sperrt morgen wieder auf. Im Ferdinandeum die mit großen Namen bestückte Sonderausstellung „Werden“.
Von Edith Schlocker
Innsbruck – Wie man Künstlerin bzw. Künstler wird, ist eine spannende Frage, die ihn als Museumsdirektor genauso wie als Auch-Künstler naturgemäß sehr interessiere, sagt Peter Assmann, der diesem Prozess des Werdens nun in „seinem“ Haus auf die Spur zu kommen versucht. Zelebriert in zwei Teilen, die so unterschiedlich daherkommen wie die Institutionen, um die es da geht: Die 1563 gegründete Accademia delle Arti del Disegno in Florenz, die die älteste Kunstakademie der Welt ist, und jene von Düsseldorf, die als eine der innovativsten von heute gilt. Wobei es in dem von Giorgio Bonsanti kuratierten Florentiner Teil primär um den dort herrschenden kreativen Gedanken geht, während Martin Gostner, der als Düsseldorfer Akademieprofessor für Part zwei Zuständige, das Prozesshafte, das Dialogische und Konfrontative im Werden von Kunst begreifbar zu machen versucht.
Mit großen Namen wird da wie dort nicht gekleckert. Sind im Florentiner Teil doch neben einem von Michelangelo in Holz geschnittenen Pozzetto eines Gekreuzigten auch sechs originale Zeichnungen dieses Großmeisters zu sehen. Klassisch akademisch geht der Rückblick auf die Akademiegeschichte weiter. Bestückt mit viel Gezeichnetem und Gemaltem, aber auch Büchern und studentischen Kopien großer Meister. Um mit Arbeiten von „Akademikern“ wie Carlo Carrà, Giorgio Morandi, Le Corbusier, Henry Moore oder Mimmo Paladino fast ganz in der Gegenwart anzukommen.
Ferdinandeum
Museumstraße 15, Innsbruck; bis 18. April, Di–So 10–18 Uhr. Am kommenden Montag ausnahmsweise geöffnet.
Kooperiertes Mitglied der Florentiner Akademie ist auch der deutsche Maler-Superstar Gerhard Richter, der wiederum selbst in Düsseldorf studiert wie gelehrt hat. Um auf diese Weise das ideale Bindeglied in diesem Ausstellungsprojekt zu sein, wenn auch seine zwei Fotoübermalungen, die am Stiegenaufgang sozusagen auf dem Weg nach Düsseldorf platziert wurden, winzig sind. Hat der aktuell bestbezahlte lebende Künstler weltweit im Gegensatz zu vielen seiner KollegInnen der Akademie bei seinem Abgang doch keine Arbeit hinterlassen. Genauso wenig wie Joseph Beuys, auf dessen Lehrstuhl Richter viele Jahre gesessen ist. Dass die Sammlung der Düsseldorfer trotzdem großartig ist, zelebriert die im Ferdinandeum präsentierte Auswahl eindrucksvoll.
Kommt diese doch als ziemlich komplettes Who’s Who der neueren deutschen Kunstgeschichte daher, wobei jede der 66 Arbeiten, die im Kontext ein Mosaik ergeben, ein Stein sei, so Martin Gostner. Um schön das Werden von Kunst als gesellschaftspolitisches Phänomen nachvollziehbar zu machen. Aber auch die unterschiedlichsten Querverbindungen aufzuzeigen, das Spiel mit Themen und Techniken und kunsthistorischen Bezügen. Wenn etwa Thomas Ruff Menschen ganz so fotografiert, wie diese in der Renaissance gemalt worden wären. Speziell für die Schau hat Rosemarie Trockel eine fünfteilige Fotoarbeit arrangiert, Martin Gostner lässt ein menschliches Skelett neben einem Kissenbild von Gotthard Graubner schweben, Herbert Brandl zwei in Bronze gegossene Raubkatzen Pigmentdrucke von Peter Piller betrachten. Von Beuys gibt es in der Schau immerhin die von ihm signierte Schüssel, die er bei einer Fußwaschungsaktion 1977 verwendet hat. Auf die sich wiederum viele Jahre später Jörg Immendorf in einem großen Bild beziehen sollte.
Gostner war es wichtig, dass auch die aktuell in Düsseldorf Studierenden in der Schau – wenn auch nur virtuell auf der Webseite „Looking Ahead“ – Platz finden. Laut Assmann wegen Papiermangels leider „bitte warten“ heißt es auf den vom Düsseldorfer Akademieprofessor John Morgan großartig gestalteten Katalog.