Zum 100. Geburtstag von Reinhold Stecher: „Ein strahlender Mensch“
Am 22. Dezember wäre Reinhold Stecher 100 Jahre alt geworden. Wegbegleiter über den „Bischof der Herzen“.
Von Michaela S. Paulmichl
Innsbruck – Ein Gedenkgottesdienst, eine neue Weihnachtsmarke, ein weiteres Buch: Tirol würdigt Reinhold Stecher, der in wenigen Tagen seinen 100. Geburtstag feiern würde, gleich mehrmals. „Durch sein vielfältiges Wirken, vor allem aber durch sein persönliches Lebenszeugnis, stand er für eine prophetische, den Menschen zugewandte Kirche. Seine großherzige Solidarität mit Notleidenden und Benachteiligten, seine grenzenlose Sorge um Menschen in Not und sein mutiges Auftreten für Gerechtigkeit waren beispielhaft“, meint Kardinal Christoph Schönborn im Grußwort an den Stecher-Gedächtnisverein.
Der Freundeskreis, der heute rund 600 Mitglieder zählt, wurde von Wegbegleitern ins Leben gerufen, um die Erinnerung an den „Bischof der Herzen“ und sein geistliches Vermächtnis wach zu halten und die sozial-karitativen Projekte nachhaltig zu fördern, die er bis zuletzt unterstützt hatte. „Er war ein ungewöhnlicher, ein interessanter, ein strahlender Mensch“, sagt Vorstandsmitglied Paul Ladurner.
„Der seinerzeitige Frontsoldat wider Willen, der spätere Priester aus Überzeugung konnte mit seinen Worten Ergriffenheit oder Lachstürme auslösen, dann aber wieder irritiert und verzagt sein, je nachdem was ihn gerade berührte. Er war beliebt, gesucht und gebraucht. Um Referate wurde er bestürmt, selbst zu Themen, die mit Theologie wenig zu tun hatten“, meint er über seinen Freund, dessen Nachlassverwalter er heute ist. Er habe nichts Klerikales an sich gehabt und sei gerade deswegen für die Studierenden ein „Leuchtfeuer“ gewesen. „Unsere Kinder und Enkel liebten ihn ob seiner Zeichnungen, Lieder, Erzählungen, Späße und Tschurtschenschlachten.“
Reinhold Stecher, der 91 Jahre alt wurde, sei ein Mann der Tat gewesen, der die Sorgen der Menschen ernst nahm und ein offenes Herz für Ausgegrenzte hatte. Aussagen wie „Man fragt nach der Not, nicht nach dem Glaubensbekenntnis“ waren typisch für ihn.
„Stecher hat wichtige soziale Akzente gesetzt“, heißt es von Seiten des Gedächtnisvereins. Er habe den Verein Arche Tirol für Menschen mit Behinderung mitbegründet und soziale Einrichtungen wie das Frauenhaus gefördert. Stecher hat sich für die Aufnahme von Flüchtlingen eingesetzt und dafür gesorgt, dass Menschen „Wasser zum Leben“ haben – in Afrika, Lateinamerika und Albanien. Bei Versteigerungen seiner Bilder wurden über 1,2 Mio. Euro an Spenden eingenommen. Stecher war außerdem ein Bestsellerautor: Seine 23 Bücher, die er ebenfalls für gute Zwecke schrieb, erreichten bisher eine Gesamtauflage von über 800.000 Stück, berichtet Tyrolia-Verlagsleiter Gottfried Kompatscher. Das Buch „Herz ist Trumpf“ zu seinem 100. Geburtstag enthält auch unveröffentlichte Texte.
„Seine Argumente wurzelten in intensiven Studien, in Hausverstand und Lebensnähe, deshalb wurden sie dankbar, oft begeistert aufgenommen“, sagt Paul Ladurner. Stecher selbst meinte in seinem letzten TT-Interview zwei Monate vor seinem Tod: „Wenn man Bischof ist, ist es mit dem Amt verbunden, dass man auch kritisch zu Dingen Stellung beziehen muss. Es bringt mit sich – auch wenn man seine Kirche liebt und zu ihr steht –, Fehlentwicklungen zu sehen und zu artikulieren.“ Er bereitete dem Anderl-Kult ein Ende, äußerte sich zur „Notwendigkeit verheirateter Priester“ und war offen für ein Diakonat für Frauen. Berühmt wurde auch sein Brief an den Papst 1997, Rom habe das Image der Barmherzigkeit verloren.
In Erinnerung an ihn sind unter anderem am 22. Dezember ein Gedenkgottesdienst im Dom geplant, ein Symposion an der Uni Innsbruck im Jänner, die Spenden-Aktion „Talenteförderung“ und ein Gedenkkonzert.
Stimmen
Felix Mitterer (Autor): „Als Bischof hat Reinhold Stecher den katholischen Mief aus Tirol vertrieben.“
Esther Fritsch (Israelitische Kultusgemeinde): „Schon zu Beginn seiner Amtszeit setzte er den haltlosen Anderl-von-Rinn-Kult aus, initiierte die Gründung des christlich-jüdischen Komitees und setzte sich für den Bau einer neuen Synagoge ein. Für uns war er ein Zadik, ein Gerechter.“
Anton Pelinka (Politologe): „Er ging auf die Menschen zu – offen und bereit zum Gespräch. Und er war ein Neuerer. Er war ein Bischof zum ,Angreifen‘.“
Georg Schärmer (Caritas): „Die Suche nach einer Sprache, die Gemeinschaft stiftet und nicht entzweit, gab er nie auf.“
Quelle: Gedächtnisverein