Koschuhs „Jahrmarkt der Heiterkeiten“: Aufgespießt und vorgeführt
Markus Koschuh erinnert mit seinem „Jahrmarkt der Heiterkeiten“ an ein Jahr, das viele lieber vergessen würden.
Von Joachim Leitner
Innsbruck – Realität und Satire sind nicht mehr zweifelsfrei unterscheidbar. Daran erinnert der Wiener Musikverleger Walter Gröbchen recht regelmäßig mittels sozialer Medien. Er teilte bislang 1184 Fundstücke, die eine Realität abbilden, die sich kaum noch ernst nehmen lässt – und daher ernst genommen werden muss.
Markus Koschuhs kabarettistischer „Jahrmarkt der Eitelkeiten“ funktioniert ganz ähnlich. Koschuh blickt auf das Jahr zurück, auf das, was sich bewegt hat, und auf das, wo nichts weiterging, auf das Klein-Klein der großen Politik und die großen Schweinereien im Kleinen. Vieles trifft er punktgenau. Manchmal haut er kräftig daneben – und das ist dann auch irgendwie lustig.
Am besten ist Koschuh, wenn er dem höheren Unsinn die eigene Ratlosigkeit darüber folgen lässt, wenn er etwa aus der akademischen Abschlussarbeit einer damals Noch-Ministerin zitiert – und der Inhaltsleere mit leerem Blick Zeit und Raum zum Wirken schenkt. Mancher Stumpfsinn kann auch ohne satirische Spitze aufgespießt und vorgeführt werden. Tatsächlich hätte man die Seepocken-Posse in den viral-volatilen Monaten seither fast vergessen. Überhaupt scheint schnelles oder vorschnelles Vergessen und Vergessenwollen ein großes Gegenwartsphänomen zu sein. Deshalb muss man Markus Koschuh dankbar sein, dass er den Irrwitz der vergangenen 356 Tage in Erinnerung ruft – auch und gerade, weil das Erinnern ziemlich weh tut. Wie gern würde man dem Gehörten ein präsidentiales „So sind wir nicht“ entgegnen. Und lässt es dann doch lieber. Weil man gelernt haben will, dass man niemanden belügen darf, auch sich selbst nicht. Gerade deshalb bemühen Verantwortungsträger bisweilen die eigene Vergesslichkeit.
Markus Koschuh jedenfalls lässt keine Wuchtel liegen. Auch die nicht, die er ungestraft hätte liegen lassen können. Der eine oder andere Tiefflieger zischt – natürlich unkontrolliert, es könnten ja ankommende Fünf-Uhr-Tee-Trinker drinnensitzen – durch den Treibhausturm. Dort hatte der „Jahrmarkt der Heiterkeiten“ am Mittwoch Premiere. Mit allem, was dazugehört: Aus dem partei- und pandemiepolitischen Kasperltheater in Stadt, Land und Bund macht Koschuh – nun ja – Kasperltheater eben. Das ist nicht sonderlich einfallsreich, aber effektiv. Das Maßnahmendurcheinander verzopft er mit bierernster Mine zum gordischen Knoten. Vor dem kürzlich verstorbenen Sepp Forcher verneigt er sich mit einer liebevollen Parodie. Das Märchen vom jungen (Alt-)Kanzler, das Koschuhs Forcher erzählt, endet, wie es enden muss: großer Kater nach kurzer Trunkenheit. Man hätte es kommen sehen müssen. Die Gefahren von zu Panorama-Teichen umetikettierten Speicher-Seen eher nicht. Auch diese Geschichte hat Satiriker Markus Koschuh der Realität geklaut. Aber zweifelsfrei unterscheiden lässt sich Realität und Satire ja nicht mehr. Eigentlich zum Verzweifeln. Oder eben zum Lachen.
Kabarett
Jahrmarkt der Eitelkeiten. 4. bis 7. Jänner im Innsbrucker Treibhaus. 13. Jänner im Komma Wörgl.